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Der Sommer des Kometen

Der Sommer des Kometen

Titel: Der Sommer des Kometen
Autoren: Petra Oelker
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erzählt?»
    Rosina schüttelte den Kopf.
    «Nein, Helena», seufzte sie, «wir haben wohl eine ganze Weile im Alten Ratskeller zusammengesessen, aber Sebastian und sein gelehrter Freund mussten erst einmal von alten Zeiten schwärmen.»
    Struensee hätte viel lieber erfahren, wie Rosina zu ihrem seltsamen Beruf gekommen war. Ganz offensichtlich war sie genauso wenig wie Sebastian auf dem Komödiantenkarren geboren, das hatte er schon im letzten Jahr festgestellt. Aber er lehnte sich zurück und hörte zu.
    Der fremde Briefschreiber hatte zunächst viel Platz des kostbaren Papiers auf Lobpreisungen der Becker’schen Gesellschaft verwendet, deren Mut und hohe Kunst, so stand es da, er im letzten Mai ausführlich zu bewundern Gelegenheit gehabt habe. Dann forderte er sie auf, möglichst schnell nach Norden zu reisen, denn er habe ein Stück geschrieben, das niemand als sie aufführen könne. Es glänze nicht nur durch die formidablen Verse, sondern auch durch die brisante Begebenheit, von der er darin erzähle. Es sei eine wahre Begebenheit, die sich vor langer, aber nicht zu langer Zeit zugetragen habe, und weil ganz gewiss jeder davon erfahren wolle, werde das Theater wochenlang ausverkauft sein.
    «Hat er geschrieben, worum es darin geht?» Bis jetzt fand Struensee die Geschichte nicht besonders aufregend.
    «Nein», fuhr Jean fort, «aber für mich als Künstler, der nicht nur spielen, sondern das Volk belehren und aufklären …»
    «Jean!» Helenas Augen begannen wieder gefährlich zu blitzen.
    «Nun ja, ich will fortfahren. Er trug uns auf, nicht in Hamburg, sondern in Altona Wohnung zu nehmen, damit der Inhalt nicht vor der Zeit durch die Proben bekannt würde.»
    «Als würde nicht jeder Klatsch schneller als die Börsennachrichten zwischen Altona und Hamburg hin- und hergehen.»
    Jean ignorierte Rosinas Einwurf mit der gehörigen Grandezza. «Altona war mir sehr recht, denn seit Ackermann im letzten Sommer sein großes Theater im Opernhof am Gänsemarkt eröffnet hat, ist für uns in Hamburg zu wenig Platz. Um es kurz zu machen: Wir brachen unser sehr einträgliches Gastspiel in Braunschweig ab, beluden die Wagen und machten uns auf den Weg. Es war eine beschwerliche Reise, das könnt Ihr glauben, die Hitze und der Staub …»
    «Jean!» Zum tausendsten Mal fragte Helena sich, warum sie diesen eitlen, larmoyanten Komödianten nur so liebte.
    «Staub, ich sagte Staub!» Er leerte mit einem Schluck sein Glas und schenkte sich mit aufreizender Akkuratesse nach. «Wir erreichten die Stadt, immerhin diesmal ohne auch nur ein Rad zu brechen, weil auf den Straßen selbst das größte Schlammloch nur noch staubig ist, mieteten diese Wohnung, eine gute, aber doch sehr teure Wohnung, und wanderten gleich am nächsten Tag nach Hamburg.» Er tupfte sich seufzend mit einem Spitzentuch die Stirn. «Monsieur Billkamp lebt tatsächlich in einem sehr reichen Haus in der Gröninger Straße, vier Etagen hoch, breit wie ein Dom und aus schönstem Stein. Er ist auch nicht, wie Helena, die nie an das Gute zu glauben vermag, vermutet hatte, ein Diener oder Hilfsschreiber. Nein, Monsieur Billkamp ist ein sehr reicher Mann, der sich schon vor Jahren von seinen Geschäften zurückgezogen und ganz der Dichtkunst hingegeben hat …»
    «Ja, aber leider ist ihm die zu Kopf gestiegen», unterbrach ihn seine Frau, der Jeans Rede viel zu langsam ging. «Er hat die Wohnung wechseln müssen. Nein, natürlich haben sie uns gar nicht erst in den Salon gelassen, irgendein Wichtigtuer mit dicken silbernen Knöpfen auf der Weste, von dem wir überhaupt nicht wissen, wer er war, sagte, wir könnten gleich wieder gehen. Monsieur Billkamp sei erkrankt, und es sei nicht anzunehmen, dass er vor dem Winter wieder gesund werde. Vor dem Winter! Der Sommer hat gerade erst angefangen.»
    Sie griff nach dem
Altonaer Mercurius,
der frisch aufgeschnitten auf dem Tisch lag, und fächelte sich erregt.
    «Mehr war nicht aus ihm herauszubekommen. Erst Jakobsen, der Wirt vom
Bremer Schlüssel
 – Ihr erinnert Euch gewiss an Titus’ alten Freund in der Neustädter Fuhlentwiete –, bei dem wir ratlos und durstig einkehrten, hat das Rätsel für uns gelöst. Ihr müsstet die Geschichte eigentlich kennen, in Hamburg wurde viel davon geredet. Billkamp ist tatsächlich ein Dichter, auch wenn das außer ihm niemand so recht glaubt, auf alle Fälle schreibt er viel Papier voll und deklamiert jedem, der ihm nicht rechtzeitig entkommt, seine Verse. Vor zwei oder
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