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Der Sommer des Kometen

Der Sommer des Kometen

Titel: Der Sommer des Kometen
Autoren: Petra Oelker
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Handelshaus, eines der größten in Hamburg, florierte trotz der schwierigen Zeiten, die die Hamburger Kaufleute seit dem Ende des Krieges erlebten, in dem sich die größten europäischen Mächte sieben Jahre lang um ihre ertragreichsten Provinzen und Kolonien geschlagen hatten. Sein ältester Sohn war im letzten Herbst aus der Lehre in Bergen heimgekehrt und im Herrmanns’schen Kontor mittlerweile unersetzlich, zum einen wegen seines guten Gespürs für Geschäfte und Menschen, zum anderen wegen seines heiteren Naturells. Von dem war in den letzten Tagen zwar nicht viel zu spüren, aber das würde sicher vergehen.
    Und er hatte Anne. Seine Ehe mit der jungen Frau von der Insel Jersey war noch kein Jahr alt, aber er konnte sich nicht mehr vorstellen, wie das Leben ohne sie gewesen war. Dunkel, dachte er, die letzten Jahre mussten sehr dunkel gewesen sein. Nun war es hell, und er fühlte, dass er mit ihr alle Stürme, die noch auf ihn warteten, überstehen konnte.
    «Herrmanns! Du träumst!»
    Werner Bocholt sah ihn missbilligend an. Vor vielen Jahren hatten sie miteinander lateinische Verben konjugiert, nun führten beide große Handelshäuser, und Claes war an dreien von Bocholts Schiffen beteiligt.
    «Ich möchte dir Thies Kosjan vorstellen. Er lebt auf Madeira und bereist nun unseren Norden. Gerade hat er mich gefragt, ob viele von uns am Geschäft mit den afrikanischen Sklaven teilhaben. Ich weiß davon nichts, aber was meinst du?»
    Bocholt kam immer gleich zur Sache. Er war ein etwas spröder, aber stets verbindlicher Mann und gewitzter Reeder. Natürlich wusste er ebenso gut wie Claes vom Sklavenhandel, doch bei brenzligen Angelegenheiten hielt er seine Meinung gerne zurück. Die beiden Männer setzten sich Claes gegenüber und sahen ihn erwartungsvoll an.
    «In der Hanse war es von jeher verboten, mit Sklaven zu handeln», sagte Claes mit einem spöttischen Blick auf Bocholt, der ganz unbeteiligt an seinem rechten Ärmel herumzupfte.
    «Die Hanse gibt es nicht mehr», antwortete Bocholts Begleiter, und auch in seiner Stimme schwang sanfter Spott. Er schien der Einzige, der in diesen Tagen in Hamburg nicht schwitzte. Seine gebräunte Haut verriet, dass er Sonne und Hitze gewöhnt war. Er mochte einige Jahre älter als Claes und Bocholt sein, trotzdem war sein ungewöhnlich kurzes Haar schlohweiß. Claes hatte erst auf den zweiten Blick erkannt, dass es nicht gepudert war. Er war nicht sehr groß und nicht mehr ganz schlank, aber unter seinem exzellent geschnittenen taubengrauen Rock steckten ganz eindeutig kräftige Muskeln. Dieser Mann verbrachte sicher nicht alle seine Tage im Kontor.
    «Nein», antwortete Claes lächelnd, «die Hanse gibt es schon lange nicht mehr. Aber die meisten von uns fühlen sich vielen der alten Regeln immer noch verpflichtet, weil sie gut und richtig sind. Kein Hamburger Kaufmann transportiert Sklaven auf seinen Schiffen.»
    «Das würde Euch gewiss schwerfallen», antwortete der andere mit seiner weichen Stimme, die ganz leicht von einem fremden Akzent gefärbt war. «Eure Schiffe fahren ja nicht weiter als bis an die spanische Küste. Oder, falls sie den Barbaresken, wie Ihr sie nennt, entkommen, durchs Mittelmeer.»
    Claes fühlte sich plötzlich unbehaglich. Vielleicht lag es an dem Blick der hellbraunen, fast grünlich schimmernden Augen des Mannes, vielleicht auch an diesem unerfreulichen Thema, das Claes in seiner Zufriedenheit störte.
    «Ich meine nicht auf eigenen Schiffen», fuhr der andere beharrlich fort, «ich denke eher an stille Teilhaberschaften an holländischen, englischen oder dänischen Schiffen. Dänemark beginnt mit Altona ja gleich vor Eurer Tür.»
    «Ich habe mich nie für solche Teilhaberschaften interessiert, und ganz gewiss auch mein Vater nicht. Ich will nicht behaupten, dass niemand von uns hier in Hamburg an diesen unchristlichen Geschäften beteiligt ist, aber vielleicht fragt ihr besser im Dänischen. Oder in Holland und England.»
    Von St. Petri schlug es dreimal, und Claes erhob sich. «Es wird Zeit für mich, mein Sohn erwartet mich längst im Kontor. Wir sehen uns morgen in der Commerzdeputation, Bocholt.» Er legte dem Kaufmann flüchtig die Hand auf die Schulter und nickte Kosjan einen Gruß zum Abschied zu. «Es hat mich gefreut, Euch kennenzulernen, gewiss treffen wir uns bald wieder. Wie lange bleibt Ihr in Hamburg?»
    «Bis der Wind mich wieder davontreibt», lächelte Kosjan. «Ich bin in der glücklichen Lage, viel Zeit zu haben, und
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