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Der Sommer der Vergessenen (German Edition)

Der Sommer der Vergessenen (German Edition)

Titel: Der Sommer der Vergessenen (German Edition)
Autoren: René Grandjean
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Kotze erschien als kleiner Punkt am Rand der Rutschbahn.
Offensichtlich fanden seine Füße Halt auf der glatten Oberfläche.
    „Wo wir wohl
sind?“, grübelte Socke.
    „Wer baut so
was?“, wunderte sich Rolo. „Und wozu?“
    „Wir bauen
so was. Uns war langweilig.“
    Sie
erschraken. Auf der gesamten Breite des Felsens standen kleine, bullige
Gestalten. Ihre Kleidung war zerlumpt, ihre Bärte lang. Rolo schätzte ihre Zahl
auf fünfzig. Er schaute zu Driftwood in der Hoffnung, dass der wüsste, was zu
tun sei. Doch es war Socke, der handelte. Er trat vor und verbeugte sich so
tief, dass seine Stirn fast den Boden berührte.
    „Ich grüße
euch, ehrenwerte Zwergenkrieger.“
    „Und ich
grüße euch ebenso, Geschöpfe der Nacht“, erwiderte einer der Zwerge. Er trat
aus der geschlossenen Reihe hervor und stieg den Fels hinab.
    Rolo konnte
jetzt erkennen, dass es sich keineswegs einfach nur um einen kleinen Menschen
handelte. Das Gesicht war harsch und kantig, die Nase knollig. Er trug ein
abgewetztes Lederwams und schwere Stiefel, die bei jedem Schritt klirrten. Doch
am auffälligsten war der buschige, rote Vollbart. Er reichte fast bis zum
Boden. Der Zwerg ließ seinen kritischen Blick zwischen ihnen hin und
herwandern. Doch bei Driftwood verharrte er. Dann tat er einen für seine
Körperfülle überraschend schnellen Satz und umarmte den Nachtalb herzlich. Und
weil er ein Stück kleiner war, verschwand sein Gesicht in Driftwoods Pelz.
    „Wo warst du
denn so lange?“
    „Ja, wo war
ich denn so lange?“, erwiderte Driftwood steif. Er schaute ratlos und etwas
angeekelt drein. Die Zwerge auf dem Felsen brachen in lauten Jubel aus. Der
Zwerg ließ von Driftwood ab.
    „Das ist
also deine Armee.“ Er musterte Rolo und Socke. „Nun gut, ich gebe zu, ich hätte
mehr Krieger erwartet. Und etwas Grimmigere.“
    „Meine
Armee?“
    „Wie es die
Tradition verlangt“, fuhr der Zwerg fort, „werden wir die Fähigkeiten eines
Kriegers unserer Wahl testen, bevor wir euch in die Schlacht folgen. Ich bitte
dafür um Verständnis. Meine Wahl fällt auf den Menschen. Er sieht mir besonders
mickrig aus. Umso gespannter bin ich, mit welcher ausgefuchsten Kampfkunst er
uns überraschen wird.“
    „Was?“,
piepste Rolo.
    „Verzeiht,
Herr Zwerg“, ergriff Socke das Wort. „Ich fürchte, hier gilt es, ein
Missverständnis aufzuklären. Wir sind keine Armee. Mein Name ist Socke, das
hier ist Rolo Blutgut. Driftwood scheint ihr ja bereits zu kennen. Wir sind im
Auftrag unseres Meisters unterwegs. Alte Aufzeichnungen führten uns, wie ich
glaube, zufällig in ihre zauberhafte Behausung. Wir suchen nach Hinweisen über
den Verbleib der Quelle der Magusch.“
    Ein Raunen
ging durch die Reihen der Zwerge.
    „Was meint
ihr damit? Zufällig?“ Der Zwerg sah ernsthaft böse aus.
    Driftwood
blinzelte.
    „Mein Clan
und ich warten seit ungezählten Tagen und Nächten auf Driftwoods Rückkehr. Er
versprach uns, mit einer Armee zurückzukehren. Wir wollten gemeinsam gegen die
Übermacht der alles verschlingenden Menschen ziehen. Wollt ihr mir jetzt sagen,
dass wir seit Ewigkeiten hier untätig herumsitzen und uns von Käfern und Gewürm
ernähren, und ihr hattet überhaupt nicht die Absicht, euer Wort zu halten?“
„Von Absicht möchte ich da jetzt nicht direkt sprechen“, entgegnete Driftwood
kleinlaut. „Es ist nur so.“ Er zögerte. „Mir ist da was dazwischen gekommen.“
    Rolo war
sich sicher, dass damit ihr letztes Stündlein geschlagen hatte. Die Zwerge
starrten Driftwood mit offenen Mündern an. Socke schnaufte. Doch offensichtlich
brachte Driftwoods entwaffnende Ehrlichkeit die richtige Saite des Zwerges zum
Klingen. Denn der kniff die Augen zusammen, als müsse er niesen, und prustete
los. Alle Zwerge fielen mit ein. Driftwood lachte am lautesten. Rolo entspannte
sich ein wenig. Aber mehr als ein angestrengtes Grinsen bekam er nicht raus.
Der Zwerg reckte plötzlich die Faust in die Luft, und alle Lacher verstummten.
Außer Driftwoods, der seinen Fauxpas aber schnell bemerkte.
    „Zweikampf!“,
rief der Zwerg in die Stille. „Zu mir, mein Kämpfer!“
    „Zweikampf!“,
brüllten alle Zwerge im Chor.
    „Ochsenkopf!“,
rief der Zwerg.
    „Ochsenkopf,
Ochsenkopf“, forderten die Zwerge.
    Sie bildeten
eine Gasse, durch die Ochsenkopf hervortrat. Rolo schluckte. Dieser Brocken wog
mehr als er und die Alben zusammen. Mit bebenden Schritten kam Ochsenkopf
näher. Seine Augen waren blutunterlaufen. Die Eckzähne
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