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Der Sommer der Vergessenen (German Edition)

Der Sommer der Vergessenen (German Edition)

Titel: Der Sommer der Vergessenen (German Edition)
Autoren: René Grandjean
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Pfote ihm die Luft abdrückte.
    „Driftwood“,
röchelte Rolo.
    Driftwood ließ
von ihm ab. „Du bist das. Mich so zu erschrecken.“
    Die Worte
flogen in kurzen Echos umher. Rolo rieb sich die Gurgel. Driftwood nahm Socke
die Sonnenbrille ab und streichelte liebevoll seinen Kopf. Schon schlug Socke
die Augen auf.
    „Wo sind
wir?“
    Das wollte
Rolo auch wissen. Erst jetzt bemerkte er, dass die Luft modrig und abgestanden
roch. Das Atmen fiel ihm schwer.
    „In einer
dreckigen Höhle“, erklärte Driftwood. „Nicht sehr hoch. Die Decke ist halbrund.
Die Wände sind mit Brettern gestützt. Vielleicht ein alter Stollen oder
Strecken oder wie das heißt“, überlegte er.
    „Sagte der
Bergmann nicht, dass die nicht mehr zu betreten wären?“, gab Socke zu bedenken.
„Das gefällt mir nicht.“ „Mir auch nicht“, bekräftigte Rolo. „Ich kann
überhaupt nichts sehen.“
    Driftwood
fluchte. „Wo ist denn dieses vermaledeite Ei?“ „Hier.“ Socke zog es aus dem
schlammigen Boden. „Aber vorsichtig damit.“ Er reichte es Rolo.
    „Keine
Sorge. Ich glaube, wir sind jetzt genau da, wo das Ei uns haben wollte. Wüsste
nur gern, warum?“ Rolo hielt das leuchtende Ei in die Höhe. Dies war ein
unheimlicher Ort, und die gedämpfte Beleuchtung machte es nicht besser. Außer
dem unregelmäßigen Tropfen von Wasser auf Stein herrschte Stille.
    „Hier stinkt
es geradezu nach alter Magusch“, murmelte Driftwood. Er spähte den Gang hinab.
    Rolo
wunderte sich. „Ich dachte, außer euch gibt es nichts Magusches mehr?“
    „Ja, mag
sein. Aber jetzt sind wir ja da.“
    Sie
schlichen in die Richtung, die Socke für die richtige hielt. Sand und Kies
knirschten unter Rolos Sohlen. Die Alben bewegten sich geräuschlos. Sie
hinterließen nicht mal Spuren. Socke ging ein Stück voran. Unablässig zuckten
seine Ohren. Driftwood bedauerte, dass er nicht für eine ausreichende
Bewaffnung gesorgt hatte.
    „Wofür
brauchen wir denn Waffen? Wir sind hier doch allein. Oder?“
    Rolo bekam
eine Gänsehaut. Die Höhle gabelte sich in zwei schmalere Gänge. Da ihnen der
eine so düster erschien wie der andere, entschieden sie sich für den linken.
Die Dunkelheit schlug Rolo aufs Gemüt. Wiederholt schaute er ängstlich über die
Schulter.
    „Da ist
nichts“, meinte Driftwood. „Mach dir keinen Kopf. Niemand schleicht sich
unbemerkt an uns heran, so lange Socke seine spitzen Lauscher aufgespannt hat.“
    Rolo sagte
nichts. Er hätte gern Driftwoods Pfote genommen, traute sich aber nicht zu
fragen. Plötzlich und ohne jede Vorwarnung erlosch das goldene Licht des Eis.
Völlige Schwärze umschloss Rolo. Schon kam die Angst. Wie eine Katze schlich
sie ihm um die Beine. Er rief nach den Alben. Keine Antwort. Seine Nackenhaare
sträubten sich.
    Jetzt
flipp’ nicht aus. Du würdest nur gegen die nächste Wand rennen oder dich auf
ewig in den Gängen verfransen. Noch einmal rief er. Wieder verhallten seine
Worte unbeantwortet zwischen den kalten Felsen. Was ist nur los? Sie würden
mich nie allein zurücklassen. Er tat ein paar vorsichtige Schritte zur
Seite. Die Wand würde ihm helfen, sich zu orientieren. Seine Augen waren hier
nutzlos. Aber alle anderen Sinne arbeiteten auf Hochtouren. Rolo spürte jeden
Kiesel unter den Schuhsohlen. Seine Ohren hätten jedes noch so leise Geräusch
registriert. Doch außer dem Scharren seiner Schritte und seinem eigenen,
keuchenden Atem gab es nichts zu hören. So angespannt, begann Rolos Gehirn, ihm
Streiche zu spielen. Bilder tauchten in seinem Kopf auf. Seltsame, unwirkliche
Wesen, zusammengesetzt aus allem, was ihn in seinem Leben erschreckt hatte. Ein
Puzzle aus Angst und Erinnerungen. Ihm war plötzlich furchtbar übel. Rolo tat
trotzdem einen Schritt nach dem anderen. Längst hätte er die Wand erreichen
müssen. Aber seine ausgestreckten Arme tasteten weiter ins Leere. Endlich
fühlte er etwas. Es war weich und feucht. Moos? Dann blendete ihn die Sonne.
    Patze hatte
ihm die Augenbinde abgenommen. Der Garten war voll mit Freunden und
Klassenkameraden. Sogar Driftwood und Socke waren da. Rolo lehnte an einem
bemoosten Baum. Alle schüttelten ihm lachend die Hände und klopften ihm auf die
Schultern. Frau Dr. Schimpfkäse servierte Kuchen auf einem Tisch, der sich
unter dem Gewicht der unzähligen Geschenke bog. Die Bäume waren mit
Lichterketten dekoriert, und eine Kapelle aus Neunseen spielte auf einer Bühne
vor der Hecke. Krah und Onno tanzten wie verrückt umher. Unter dem
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