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Der Sommer der Toten

Der Sommer der Toten

Titel: Der Sommer der Toten
Autoren: Michael T. Hinkemeyer
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anderes erledigen.« Er legte sie behutsam aufs Bett und schob die Decken zurück.
    »Wie bist du hereingekommen? Ich sperrte …«
    »Ich habe da meine Möglichkeiten«, sagte er.
    Er beugte sich über sie und küßte sie leidenschaftlich. Seine tastenden Hände halfen ihr beim Ausziehen. Sie spürte, wie ihre eigene Leidenschaft wuchs. Atemlos gab sie sich ihm hin und verdrängte alles andere – alles, was bis jetzt passiert war – aus ihrem Bewußtsein und überließ sich ihrem Gefühl. Er war wieder da. Sie waren beisammen. Sie war in Sicherheit.
    Noch nie hatten sie einander mit solcher Leidenschaft geliebt. Vielleicht war es die Dunkelheit, vielleicht auch das durchdringende, erlösende Gefühl der Sicherheit. Oder es war der Tag, das langerwartete Datum, und das Kind.
    »Ich werde dir einen Jungen geben!« murmelte er heiser.
    Und dann sagte er nichts mehr, und sie drehten und wanden sich irgendwo zwischen Himmel und Erde. Ihr Verstand setzte aus, und ihre Gedanken glühten irgendwo im Dunkeln ihrer vereinigten Leiber weiter.
    Und dann kam der Höhepunkt und erfüllte beide mit langersehntem Feuer.
    Und dann lauschte sie in sich hinein, hörte mit dem Körper und mit der Hoffnung, die ihr Herz schon fast aufgegeben hatte.
    Sie lauschte, und sie vernahm es.
    Und sie wußte es jenseits allen Wissens, spürte die heimliche Bewegung, die rote Bewegung dunkler Blüten, die sich im Blut trafen, sich drehten, das komplizierte, geräuschlose Aufkeimen neuen Lebens.

 
V
     
     
    Vor dem Einschlafen ging sie alles mit ihm durch. Sämtliche Ereignisse. Alle. Er lag neben ihr in der Dunkelheit, hörte zu’ und dämmerte langsam ein.
    »Morgen«, sagte er immer wieder flüsternd. »Ich habe alles genau überlegt. Alles läuft nach Plan. Es ist vorbei. Wir sind nun in Sicherheit. Schlaf jetzt. Wir lieben einander, und morgen ist Zeit genug.«
    Aber Katie konnte nicht einschlafen trotz der neuerwachten Hoffnung, die keine bloße Hoffnung mehr war. Ihr Verstand tanzte und hüpfte, wollte einschlafen und wurde wieder hellwach. Und als endlich der Schlaf kam, war es kein guter Schlaf.
    Sie warf sich hin und her und träumte. David, im Auto durch das Gewitter fahrend. David im Kampf gegen das Unwetter, auf dem Weg zu ihr. Sie streckte die Hand aus und berührte den Körper neben sich, eia warmer junger Körper.
    Und doch konnte seine Gegenwart sie nicht beruhigen. Immer wieder kam der Traum: David, der vergeblich gegen das Unwetter ankämpfte, gegen eine verborgene Kraft. Und dann verfehlte er noch die Abzweigung, fuhr zurück, und verfehlte sie abermals.
    Es regnete in Strömen. Er konnte nichts sehen. Wieder verfehlte er die Zufahrt zum Dorf, jene geheime Tür in einem finsteren Korridor der Träume, einen Weg, den man nur einmal findet, ein einziges Mal, und der zum Frieden führt.

 
Mittwochmorgen, 23. Juni
     
     
I
     
    Sie erwachte unausgeruht mit einem sonderbaren Gefühl der Unsicherheit. Ihr war, als könne ihr Bewußtsein die Müdigkeit nicht abschütteln und nicht die für klares Denken nötigen Verbindungen herstellen, so als verhülle eine Dunstschicht den Tag. Es war noch früh am Morgen. Doch es war bereits heiß. Das Gewitter hatte sich verzogen, der Himmel strahlte wolkenlos. Die Junihitze ließ das Regenwasser verdampfen. Es würde drückend schwül werden. Ihr Mann, der noch immer neben ihr schlief, lag unter Decken und Laken vergraben, ein großer, deckenumhüllter Körper im Frühmorgenlicht. Doch er war immerhin da. Sie dachte an ihren Traum. Sie dachte an ihre liebende Vereinigung, an das Kind. Das klärte ihren Kopf ein wenig. Na ja, dachte sie. Die Angst. Die Anspannung. Das Warten. Nicht zuletzt der Alkohol.
    Das ist nun vorbei. Heute morgen fangen wir neu an.
    Sie stand auf und ging nach unten.
    Verblüfft blieb sie in der Küche stehen und sah sich um. Unglaublich! Hier sah es aus wie in den historisch getreu rekonstruierten Räumen eines Museums, in denen alte Möbel und alter Hausrat gezeigt werden. Da stand der alte Eisenherd aus der Sommerküche mit der langen Ofenröhre, die die Wand entlang zum Kamin verlief. Neben dem Herd ein Behälter mit frischgeschnittenem Feuerholz. Der Kühlschrank war verschwunden, an seiner Stelle stand ein schmaler Eiskasten, metallgrau. Auch Mamas neue Spüle mit den blitzenden Armaturen war ersetzt worden. Jetzt stand ein wackliger Waschtisch mit einer alten Porzellanschüssel und einem Geschirrschaff aus Zinn da. Eine Handpumpe zum Wasserpumpen. Das Ergebnis
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