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Der Sommer der Toten

Der Sommer der Toten

Titel: Der Sommer der Toten
Autoren: Michael T. Hinkemeyer
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anschwellen zu lassen. Unten war Papa an der Arbeit.
    Aber es gab keine »schleifenden« Geräusche mehr.
    Sie trank einen Schluck Schnaps und setzte sich aufs Bett.
    Die »schleifenden« Geräusche waren gestorben. Wie Mama. Man hatte nicht mal den Mut gehabt, sie auf der Stelle zu töten. War es Mauslochers Einfluß? Daß man sich eines Tieres als Werkzeug bediente? Oder war es geschehen, um Papas Gefühle zu schonen?
    War es Papas Idee gewesen? Oder Mauslochers? Oder Bates’? Oder von allen zusammen?
    Er! Der ER aus Mauslochers wortreichen Predigten. Das mußte Papa sein.
    Aber SIE? Mama? Die Statue! Oder … etwa ich?
    Risiko unberechenbar, Unkosten Mord, Preis … ja was? Jedenfalls mußten sich Risiko und Kosten bezahlt machen. Nur Papa konnte von der Fledermaus wissen, von Mamas Angst vor flatternden Wesen, vor Wesen, die, selbst zu Tode erschrocken, mit aufgerissenen Augen und wildem Flügelgeschwirre im Haus, in einem geschlossenen Raum umherirrten. Diesmal war es keine Fledermaus gewesen.
    Wo blieb bloß David?
    Aber warum das alles? Warum hatten Papa und diese Männer es getan?
    Es mußte von großer Wichtigkeit sein. Wichtig genug, um den Mord an Aggie Jensen zu begehen, die die Antwort auf die Frage nach dem Warum gefunden haben mußte. Aggie wollte, daß Katie an jenem Abend zu ihr käme. Um ihr die Antwort zu geben? Mama hatte sich Aggie gegenüber irgendwie verständlich machen können.
    Der Vogel, der im Schlafzimmer umherschwirrte und aufgeregt flatterte, der auf Mama herunterstieß, von einer Ecke in die andere sauste, von der Decke an die Mauer. Und beide, Mama und der Vogel, zu Tode erschrocken. Und der Vogel flatterte und schwirrte und schlug mit den Flügeln.
    Verfolgt von Mamas Blicken.
    Ja, das war es. Sie hatten ihr Blut durch Angst zum Sieden gebracht, ihr Herz in rasendes Tempo versetzt. Sie zu Tode erschreckt. Ihre Lebensfunktionen hatten einfach ausgesetzt.
    Nach Aggies Aussage hatte Mama möglicherweise schon seit April geargwöhnt, daß sich etwas zusammenbraute. Und im April, hatte Hercules gesagt, hätte die seltsame Zusammenkunft in der Bestattungshalle stattgefunden, an der fast alle teilgenommen, hatten. So wie heute. Es mußte etwas mit dem Land, mit der Erde zu tun haben. Mit Erde gefüllte Behälter. Und die Eile, mit der Mama zur letzten Ruhe gebettet worden war, noch ehe die Sommersonnenwende ganz erreicht war.
    Hatte man sie schon vorher töten wollen, damals, als sie den Schlaganfall erlitt und stumm überlebte? Brachte Mamas Tod irgendeinen Vorteil, der Katie bislang entgangen war? Ja, Mama war tot, und man hatte viel Mühe auf sich genommen, um sie unter die Erde zu bringen.
    Katie trank ein Schlückchen Apfelschnaps. Draußen kam starker Wind auf, der ächzend um das Haus wehte und die Bäume peitschte. Die ersten schweren Regentropfen trommelten an die Scheiben und sprenkelten den Staub.
    Doch warum hatte man mich im Zusammenhang mit Mamas Tod unbedingt von Minneapolis hierhergelockt? Warum wollte man mich hier haben?
    Sie ging an die Tür. Ja, fest abgeschlossen. Das, was sie wollen, muß irgendwie mit mir zusammenhängen. Diente Mama bloß als Lockvogel? Als Köder?
    Irgendwo schlug ohrenbetäubend ein Blitz ein, zersplitterte einen Baum oder fuhr in eine Hochspannungsleitung. Also Stromausfall. Donner rollte. Unten hämmerte Papa noch immer.
    Vielleicht werde ich wahnsinnig? dachte sie so nebenbei, als frage sie sich, ob sie hungrig wäre. Die Erinnerung an Dinge, die ich nie gesehen habe … Norwegen, New York, das Schiff …
    Aber es waren doch Mamas Erzählungen. Du hast sie gekannt.
    So klar? So wirklich? Möglich.
    Wenn aber mit mir etwas nicht stimmt, dann …
    Und zu diesem Schluß gelangte sie immer wieder. Katie war total verängstigt. Mit verschränkten Armen lief sie auf und ab und nahm hin und wieder einen Schluck Apfelschnaps.
    Der Regen prasselte gegen die Fensterscheiben und hüllte das Haus ein. Papas Gehämmer wurde von Blitz und Donner begleitet. Der Regen trieb in Wellen, in Wasserwänden über den See, die Felder, den Hof. Man konnte nichts mehr sehen. Falls David unterwegs war, würde er sicher an den Straßenrand fahren und warten, bis das Unwetter nachgelassen hatte. Vor Angst zitternd dachte sie, daß für ihn kein Grund zur Eile bestand. Er wußte ja nicht, was sich hier zugetragen hatte. Sicher saß er jetzt irgendwo in seinem Wagen und stellte logische Überlegungen an, wie er den Dingen auf den Grund kommen konnte. Bis auf das Baby hat er
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