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Der Sommer der Lady Jane (German Edition)

Der Sommer der Lady Jane (German Edition)

Titel: Der Sommer der Lady Jane (German Edition)
Autoren: Kate Noble
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verstanden?«
    »Du kannst da nicht raus!«, formte Victoria mit dem Mund.
    »Ich muss.«
    Victoria sah die Entschlossenheit auf dem Gesicht ihrer Freundin und nickte kurz, dann krümmte sie sich auf dem Boden zusammen und verschwand praktisch unter ihrem Umhang.
    Jane streckte die Hand nach dem Türriegel aus und legte ihn langsam um. Und stieg mit aller Würde, die sie zusammenraffen konnte, aus der Kutsche.
    Und starrte auf den Lauf eines Gewehres, das ein wie wahnsinnig lächelnder, halb maskierter Mann auf sie richtete.
    Ein Mann, den sie kannte.
    »Jim?«, fragte Jane, bevor sie sich zügeln konnte.
    »Du weißt also, dass ich es bin?«, hakte Big Jim nach. »Na ja, spielt auch keine Rolle mehr. Du hättest es sowieso bald erfahren. Hallo, Mylady«, höhnte er, »schick siehst du aus heute Abend.«
    Langsam und genüsslich ließ er den Blick über sie schweifen.
    »Um nicht zu sagen todschick.«

27
    »Was wollen Sie, Jim?«, fragte Jane ruhig und nahm die Hände hoch. Plötzlich stand ihr alles messerscharf vor Augen. Das schimmernde Metall der Waffe. Das große, struppige, schwarze Pferd, das nur wenige Schritte von Big Jim entfernt nervös tänzelte. Ihr war bewusst, dass jede ihrer Bewegungen, jedes Wort, das sie sagte, genau abgewogen sein mussten. »Geld? Juwelen?«
    »Für den Anfang wäre das in Ordnung«, erwiderte er. Seine schwarzen Augen blickten sie hart an.
    Big Jim, der Schmied – er hatte schon in Reston gewohnt, bevor Jane geboren worden war, hatte seine Lehrjahre bei dem alten Hufschmied verbracht und das Geschäft schließlich übernommen. Ihr ganzes Leben lang kannte sie ihn schon. Hatte ihre Pferde zu ihm gebracht, war als Kind an seiner Schmiede vorbeigerannt.
    Aber jetzt erst war es ihr, als würde sie zum ersten Mal sein wahres Selbst erblicken.
    Natürlich war er maskiert. Er trug eine Maske mit Augenlöchern. Und schwarze Kleidung. Doch Jane erkannte seine Stimme, die Haltung, den auffallend großen, muskulösen Körper. Er war der Straßenräuber; das war ihr jetzt sonnenklar. Und er schien sehr angespannt zu sein. Genau genommen schien er wie berauscht von der Macht zu sein, die er jetzt hatte.
    Jane wusste, dass sie sehr, sehr vorsichtig sein musste.
    »Nun, meine Juwelen befinden sich da oben im Koffer«, erwiderte sie und zeigte auf den hinteren Teil der Kutsche, wo ihr Gepäck hoch aufgetürmt und festgezurrt war.
    Jim schaute in die Richtung, in die sie zeigte, doch dann zielte er mit dem Gewehr wieder auf ihren Kopf. »Leider sind meine Freunde heute nicht bei mir. Also wirst du mir helfen müssen, nicht wahr?«
    Sie zuckte nicht. Rührte sich nicht. Wartete ab.
    »Du kletterst jetzt da hoch und zurrst die Koffer los«, befahl er.
    Langsam, aber mit festen Schritten, ging Jane zum hinteren Teil der Kutsche. Nach einem Fehltritt, der ihr durch Mark und Bein ging, gelang es ihr, sich festzuhalten und zu ihren beiden Koffern hinaufzuklettern, die mit breiten Lederriemen gesichert waren. Dort oben befanden sich auch noch zwei Taschen.
    Unvermutet ging Jane der Gedanke durch den Sinn, dass Big Jim ausgesprochen unbekümmert vorging. Denn er war von seinem Pferd abgestiegen. Welcher Straßenräuber tat das?
    Und er hatte zwei Männer getötet.
    Noch nie zuvor hatte der Straßenräuber getötet.
    Bedächtig griff Jane nach oben und umklammerte den ersten Riemen, der sehr fest gebunden war. Sie stöhnte vor Anstrengung, die Befestigung zu lösen.
    »Los, Lady Jane, trödle nicht herum«, drängelte Big Jim. »Wir haben nicht ewig Zeit. Es könnten Leute vorbeikommen.«
    Zum ersten Mal schaute Jane sich um und erkannte, wo sie sich befanden. Bei seiner Verfolgung hatte Big Jim die Kutsche von der Hauptstraße in das Feld abgedrängt, das ein kleines Stück den Hügel hinunter lag. Das Gefährt war so weit von der Straße entfernt, dass man es von dort aus vermutlich nicht sehen würde. Aber der Knall der Gewehrschüsse hatte vielleicht so weit getragen, dass jemand auf die Situation aufmerksam geworden war. Es konnte also sein, dass jemand nach ihnen suchte.
    Bitte mach, dass jemand nach uns sucht.
    Jane stockte plötzlich der Atem, und sie bemühte sich, ruhig weiterzuatmen. Ihre Hände fingen an zu zittern. Der Kutscher saß zusammengesunken auf seinem Bock, er hielt die Arme in einem unnatürlichen Winkel abgespreizt. Und wo war Freddy? Wo war er heruntergestürzt? War er vielleicht noch am Leben?
    Sie spürte, wie Big Jim sie mit seinem Blick durchbohrte. Ich stehe das durch,
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