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Der Sommer der Lady Jane (German Edition)

Der Sommer der Lady Jane (German Edition)

Titel: Der Sommer der Lady Jane (German Edition)
Autoren: Kate Noble
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als sie im Galopp über die Hauptstraße preschten, die in den Distrikt hinein- und hinausführte. »Verzeihung, Ma’am«, schrie er, »aber der Marquis hat uns befohlen, nicht anzuhalten, bis wir Sie aufs Schiff gebracht haben!«
    Angesichts der unrealistischen Erwartungen ihres Bruders verdrehte Jane die Augen (schließlich würden sie irgendwann die Pferde wechseln müssen). »Die Umstände haben sich geändert! Wir haben einen blinden Passagier bei uns!«
    »Einen was?«, fragte Freddy nach und versuchte, über den Wind und das Hufgetrappel ihre Worte zu verstehen.
    »Eine andere Person!«
    Verständnislos blickte Freddy sie an, bevor er sich umdrehte, ein paar Worte mit dem Kutscher wechselte und wild gestikulierte. Schließlich zügelte der Kutscher die Pferde, die in den Trab fielen und dann stehen blieben. Kaum dass die Kutsche stand, drehte Freddy sich wieder um.
    »Dem Himmel sei Dank«, stieß Jane atemlos aus.
    »Tut mir leid, Mylady, aber ich konnte nicht verstehen, was Sie gesagt haben«, wiederholte Freddy. »Was haben wir?«
    »Wir haben einen …«
    Aber die ganze Antwort sollte Freddy nicht zu hören bekommen, und er sollte auch nie erfahren, dass Victoria Wilton sich in der Kutsche versteckt hatte. Denn in diesem Augenblick hallte ein Schuss über die Fjells, durch die die Straße führte.
    Jane wandte den Kopf, aber das Echo machte es unmöglich zu bestimmen, von wo der Schuss ursprünglich abgefeuert worden war. Umso leichter war jedoch zu erkennen, wo die Kugel getroffen hatte.
    Jane schaute wieder zu Freddy hinauf, in dessen Gesicht sich Überraschung und Verwirrung zugleich spiegelten. Er griff mit der Hand an seine Brust, wo, wie Jane bemerkte, ein roter Fleck größer und größer wurde und im spärlichen Licht der Sterne auf seinem weißen Hemd beinahe schwarz aussah. Er fiel vornüber und stürzte von der Kutsche, just in dem Moment, in dem der Kutscher zu Tode erschrocken die Pferde so scharf antrieb, dass sie sich aufbäumten und losrasten.
    Jane duckte sich in die Kutsche, schloss das Fenster und zog die Vorhänge vor, während das Gefährt wie verrückt auf und ab hüpfte.
    »Was ist passiert?«, fragte Victoria atemlos.
    »Victoria, los, auf den Boden, sofort«, befahl Jane; ihr Befehl wurde bereitwillig befolgt. »Einer der Kutscher ist erschossen worden … er ist vom Kutschbock gestürzt … ich glaube, wir werden überfallen!«
    Noch ein Schuss fiel, dann noch einer und noch einer. Jane zog den Kopf ein und presste sich auf den Boden der Kutsche, den Arm um Victoria geschlungen und den Leib der Freundin mit ihrem eigenen bedeckend. Einige Sekunden lang rasten sie so dahin, hatten keine Ahnung, was draußen geschah, sodass ihnen die wildesten Gedanken durch den Kopf wirbelten.
    Plötzlich ertönte ein weiterer Schuss, diesmal ganz in der Nähe. Und ebenso plötzlich wurde die Kutsche abgebremst, geriet ins Schleudern, stürzte mit einem dumpfen Krachen um und blieb halb auf der Seite liegen.
    Victoria schrie entsetzt auf. »Was war das?«
    »Schscht!«, wisperte Jane angespannt. »Kein Wort! Ich glaube, ein Rad ist gebrochen. Oder eine Achse. Wir hängen fest.«
    Victoria verharrte reglos unter ihr, während Jane angestrengt lauschte. Die Pferde schnaubten und wieherten. Sie hörte die erstickte Stimme des Kutschers; seine Worte waren nicht zu verstehen, sein Tonfall aber war ängstlich und beschwichtigend. Dann hörten sie noch einen Schuss. Und die Stimme des Kutschers war verstummt.
    Draußen erklangen jetzt Schritte, in der Kutsche waren nur Janes und Victorias Atemzüge zu hören.
    »Lady Jane!«, rief eine männliche Stimme. Sie klang spöttisch, wie in einem Singsang: »Komm raus, komm raus, wo auch immer du steckst!«
    Jane war starr vor Angst. Er wusste also, dass sie in der Kutsche saß. Ihr standen keine Männer zur Verfügung, die sie beschützen konnten, keine einzige Waffe. Würde er sie töten, wenn sie die Kutsche verließ? Was sollte sie tun? Was würde Byrne tun?
    »Ich muss doch wohl nicht erst reinkommen? Da drinnen ist doch gar nicht genug Platz für uns zwei«, sagte der Mann jetzt. Seine Stimme kam Jane vertraut vor, doch sie konnte sie nicht einordnen. Als ein metallisches Klicken an ihr Ohr drang, wusste sie, dass das Gewehr erneut geladen worden war.
    »Victoria«, wisperte Jane, »ganz gleich, was geschieht, auf keinen Fall darfst du die Kutsche verlassen. Wer auch immer es ist, er hat keine Ahnung, dass du dich hier aufhältst. Gib keinen Laut von dir,
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