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Der Sommer der Gaukler

Der Sommer der Gaukler

Titel: Der Sommer der Gaukler
Autoren: Robert Hueltner
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eigentümlich abwesend, die Bühne fixierten. Paccoli spürte, wie sein Herz schneller schlug. Unwillkürlich fuhr er sich mit der Hand über den Nacken.

37
    D ie Hände auf dem Rücken, schritt der Ritter Toerringer gemessen jene Linie im Gras ab, die den Bühnenrand markierte. Tiefer Kummer beugte seinen Rücken. Er blieb stehen, sah um Hilfe flehend zum Himmel, senkte wieder den Kopf, drehte sich um und ging die Linie zurück.
    Wie liebte Caselli sie, diese weihevollen Augenblicke. Er konnte gar nicht genug davon bekommen. Aus den Augenwinkeln beobachtete er die Zuschauer. Er genoss es, wie Hunderte von Augenpaaren sich von seiner Bewegung lenken ließen – ging er nach links, folgten sie ihm dorthin, blieb er stehen, stockten auch sie, und drehte er um, schwenkten die Köpfe nach rechts. Caselli fühlte sich wie ein Magnetiseur. Es war ein machtvolles Gefühl. Es war köstlich.
    »Fang endlich an!«, raunte Wallerschenk gereizt. »Das ist meine Szene!«
    Ritter Toerringer gab noch einmal einen dramatischen Seufzer von sich. Dann reckte er seine matt blitzende Brustwehr dem Vicedom entgegen, der ihn mit finsterer Würde maß.
    »Ihr, Herr Richter«, setzte er mit vibrierender Stimme an, »Ihr sprächet nicht so, wenn Euer blutdürst’ges Gemüt nicht da so ein willkommenes Schlachtopfer fände, und dieser bluttriefende Sieg nicht auch Eure Rache gegen Albrechten sättigte!«
    Wallerschenk reckte das Kinn. Er legte die ausgebreitete Hand auf seine Brust und rief donnernd:»Ich bin Richter, und ich werde tun, was ich als Recht erkannt. Das Weib weg, und alles Übel ist weg!«
    Das Textbuch sah hier eine Entgegnung des Toerringers vor. Dieser sollte den Vorschlag machen, die Bernauerin könne ja, anstatt ihr nach dem Leben zu trachten, auch aus dem Land verwiesen oder in ein Kloster verbracht werden. Doch schon die ersten Worte des Richters waren von einem anschwellenden Murren begleitet gewesen, sein zweiter Satz hatte wütenden Protest ausgelöst.
    Hochmütig zeigte der gnadenlose Richter sein Profil. >Ich bin gut<, dachte Wallerschenk verzückt. >Man glaubt mir den Vicedom.<
    »Dringet auf Landesverweisung oder –«, versuchte der Toerringer sich durchzusetzen. Ein mattes Platschen unterbrach ihn. Entgeistert sah er zu Wallerschenk, auf dessen Weste sich ein feuchter Fleck ausgebreitet hatte. Ein Pferdeapfel kollerte ins Gras.
    »Hilfe«, flüsterte Wallerschenk.
    Caselli schwenkte herum, hob beide Hände und weitete seine Brust. Alle Blicke richteten sich wieder auf ihn.
    »Dringet auf Landesverweisung, oder Verbergen in ein Kloster!«, dröhnte er. »Fließet aber Blut, so strömet es auf die, die es vergießen!«
    Wallerschenk wollte nun alles nur noch schnell hinter sich bringen, obwohl er gerade für den folgenden Satz stundenlang vor dem Spiegel geprobt hatte. Eine strafende, düstere antike Gottheit hatte er geben wollen, die innere Spannung mit sardonisch zuckendem Mundwinkel verdeutlichen, seine Stimme wie Donnergrollen über das Publikum hinwegrollen lassen.
    Aber es wollte nicht mehr gelingen. Peter Wallerschenk spürte, wie die tragische Größe mit jedem Pulsschlag aus seiner Haltung wich, und entsetzt hörte er, dass sich das, was sich jetzt aus seiner Kehle würgte, nur noch wie das Keifen einer feigen Ratte anhörte: »Ha...! Man kann sterben, ohne Blut zu vergießen...!«
    Er riss die Arme zu spät hoch. Wieder hatte es >Platsch< gemacht.Ein weicher Kuhfladen glitt über Gürtel und Hose langsam zu Boden. Wallerschenks Augen füllten sich mit Tränen. Seine Knie drohten, ihm den Stand zu verweigern.
    »Du möchst ein Richter sein?!«, hörte er eine kreischende Stimme. »Ein Verbrecher bist! Ein kriminaler Verbrecher!« Ein wütendes Gejohle unterstützte den Schreihals. Wieder sausten Wurfgeschosse heran. »Hau ab! Du Halunk, du elender!« – »Und lass dich nie wieder blicken, du Sau!!«
    Wallerschenk duckte sich, sprang von seinem Podest und floh hinter die Kulisse, von Beifall und Jubel verfolgt. Caselli verbeugte sich hastig und schlüpfte hinter die Kulisse. Das begeisterte Toben steigerte sich. Der Schurke war vertrieben!
    »Nanana... «, wandte sich der Richter zu Paccoli. Der Angesprochene antwortete nicht, sondern knetete mit weißen Knöcheln den Knauf seines Stockes.

38
    W as schmeißen Sie mir die teure Kappen in den Dreck, Wallerschenk? Sind Sie verrückt geworden?«, rief Schikaneder, der sich hinter einer Abhängung auf seinen Auftritt vorbereitete.
    »Ich? Verrückt?«,
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