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Der Sommer der Gaukler

Der Sommer der Gaukler

Titel: Der Sommer der Gaukler
Autoren: Robert Hueltner
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Begleitmannschaft, demonstrierte noch einmal mit großer Geste, wie sehr er sich auf das Wiedersehen mit seiner Gattin freue, und eilte leichtfüßig auf das Burgtor zu. Er schlug die Kortinen zurück und verschwand dahinter. Der Menge stockte der Atem.
    Sekunden später kam er wieder hervor. Mechanisch wie ein Untoter stakste der Unglückliche auf das Publikum zu. Sekundenlang stand er reglos. Ein fürchterliches Schweigen lähmte alles. Sogar der Fluss schien erstarrt.
    Der Blick des jungen Herzogs verwandelte sich von geronnener Ungläubigkeit zu flammender Empörung. Donnernd, mit weit tragender Stimme, schmetternd wie eine Posaune des jüngsten Gerichts, rollte die Klage des Betrogenen über die Zuschauer: »Keine Wache? Die Tore offen? Niemand entgegen? Alles öde? Ha!«
    Der Blick des Herzogssohnes irrte über den Unglücksort. Er entdeckte etwas am Boden und breitete die Arme aus. »Was wollen die Waffentrümmer da auf dem Boden? – Gott! Agnes! –«Hinter ihm ertönte ein dumpfes Ächzen. Albrecht wirbelte herum und riss sein Schwert aus der Scheide. »Wer liegt dort? – Zenger! Seid Ihrs?!«
    Er zog eine Plane mit einem Ruck zur Seite. Der alte Ritter versuchte sich aufzurichten. »Fort!«, tremolierte Millner als Sterbender. »Wieder fort, gnädiger Herr! Rettet Eure Agnes!«
    »Agnes! Wo ist sie! Was soll das?!«
    Der alte Millner gab sein schönstes Seufzen von sich: »Verrat! Die Schurken haben sie geraubt! Sie hatten hundert Mann. Die Eurigen flohen. Eilet, eilet Straubing zu! «
    »Waffen!«, gellte der Sohn des Herzogs, den Blick wild zu den Göttern gerichtet. »Meine Waffen!! Oh! Wär ich ein Donner, dass ich sie erreichen, zerschmettern könnte!«
    Der treue Ritter Zenger – für einen tödlich Verletzten hatte er noch erstaunliche Lungenkraft – meldete sich noch einmal: »Lebet wohl, gnädiger Herr. Dass ich Euch doch noch gesehen habe!«
    Albrecht stürzte auf die Knie.
    »Armer Zenger! Treuer Freund! – Wut und Schmerz zerreißen mein Herz! – Das Schwert, Zenger –«, der Herzogssohn stach es in den Himmel, »rächet Euch! Eure Hand, alter Biedermann! «
    Albrecht drückte die erschlaffende Hand seines Ritters. Mit einem letzten, markerschütternden Seufzer verschied der alte Recke. Ein Stöhnen ging durch das Publikum.
    »Oh Herr, gib ihm die ewige Ruhe«, nuschelte eine alte Bäuerin. Niemand wagte zu lachen. Einige schluchzten bereits hemmungslos.
    Die Kapelle setzte zu einer getragenen Zwischenmusik an. Hinter einer Abhängung neben den Musikern traten Bartholomäus und Aloys hervor und entrollten eine breite Stoffbahn vor der Szene. Nachdem sie sich mit einem Seitenblick vergewissert hatten, dass Schikaneder und Millner die Bühne verlassen hatten, rollten sie sie wieder ein.
    Langsam löste sich das Publikum aus seiner Erstarrung. Ernstes Gemurmel wogte auf.»War ja grad fast so still wie in der Kirch«, sagte der Kolber beeindruckt.
    »Nun ja... gewiss... das Spiel ist nicht übel«, gab der Richter zu. Er neigte sich zu seinem Sitznachbarn auf die andere Seite. »Ihre Meinung, Monsieur Paccoli?«
    »Sie kennen sie bereits, Herr Richter«, gab der Bergwerksbesitzer gönnerhaft zurück.
    »Monsieur Schikaneder ist, ich muss es sagen, ausgezeichnet.« »Er versteht sein Handwerk, zweifellos.«
    »Und so ein Haufen Leut... «, wunderte sich der Wirt wieder einmal. Der Richter nickte ihm zu.
    »Sie werden anschließend ebenfalls ein gutes Geschäft machen,
    Kolber, was? – Übrigens, was ich Sie die ganze Zeit schon fragen
    wollte: Was haben Sie denn da? Sind Sie etwa hingefallen?« »Wo? Was?«
    Ratold deutete auf die blutunterlaufene Stelle an Kolbers Hinterkopf. Der Wirt machte eine wegwerfende Handbewegung.
    »Ich muss wieder rüber ins Wirtshaus.« Er stand auf und bahnte sich einen Weg durch die Reihen.
    Die Kapelle setzte wieder ein. Sofort wurde es still.
    Paccoli legte seine Hände über den Knauf seines Gehstocks, drehte sich um und ließ seinen Blick über die Menge schweifen.
    Das Halbrund des Zuschauerbereichs summte von aufgeregtem Palaver. Bauern, Bäuerinnen, Mägde und Knechte, Kinder und Greise – sie alle schienen jetzt nur noch ein einziges Thema zu kennen. Paccoli schmunzelte: Sogar den plumpen Hassl schien es gepackt zu haben.
    Sein Blick wanderte weiter. Plötzlich hatte er das Gefühl, als stellten sich seine Nackenhaare auf.
    Er hatte Vester entdeckt. Und bald danach, verteilt über das ganze Halbrund, die anderen Bergknappen, die, ernst, schweigend und
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