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Der Sommer der Frauen

Der Sommer der Frauen

Titel: Der Sommer der Frauen
Autoren: Mia March
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entfernt parkte, das Grundstück betrat und um das Haus herum nach hinten schlich. Ihr Herz pochte wie wild. Ihr Atem ging in heftigen Stößen. Hinter dem Haus gab es einen Carport, der von der Straße aus nicht zu sehen war.
Bitte mach, dass da nicht
sein
schwarzer Mercedes steht.
    Aber da stand er. Zweifellos.
    Isabel blieb die Luft weg.
    Oh, Edward! Du … Schwein!
    Die messerscharfe Wut, die sich ihr in die Eingeweide bohrte, machte einen Augenblick später einer Traurigkeit Platz, die so abgrundtief war, wie sie es seit jenem Morgen nicht mehr erlebt hatte, als sie aufwachte und erfuhr, dass ihre Eltern tot waren. Isabel musste sich an die Hauswand lehnen. Sie war dankbar für die hohen Büsche, die sie verbargen. Die Edward und seinen Mercedes vor den Blicken der Nachbarn verbargen. Vor allen, bis auf einen, offensichtlich.
    Über der gläsernen Schiebetür hing ein verwittertes Holzschild, auf dem in bunten Farben THE CHENOWITHS stand. Richtig. Die penetrante Carolyn Chenowith und ihr Ehemann, an dessen Namen Isabel sich nicht mehr erinnerte, ein Paar Mitte dreißig mit einer drei- oder vierjährigen Tochter. Sie hatten ein irisches Au-pair-Mädchen mit riesigen Brüsten, schmaler Taille und einem warmen, strahlenden Lächeln.
    Was für ein Klischee! Edward bumste das sexy Au-pair-Mädchen. Isabel schloss die Augen, und ein Schwall Tränen drückte gegen ihre Lider. Sollte sie nach Hause fahren und so tun, als wüsste sie von nichts, bis sie sich darüber klargeworden war, was sie unternehmen wollte? Sollte sie auf der Stelle bei Carolyn Chenowith anrufen und ihr stecken, dass ihr Au-pair-Mädchen mit Isabels und ganz bestimmt auch mit ihrem eigenen Mann ins Bett stieg? Oder sollte sie hineinstürmen und Edward in flagranti stellen?
    Wie ferngesteuert ging Isabel die hölzernen Stufen zu der Schiebetür hinauf und umfasste den Türknauf. Die Tür glitt zur Seite. Isabel blieb stehen und lauschte. Aus dem ersten Stock drangen gedämpfte Stimmen zu ihr herunter. Sie hielt den Atem an und ging die mit weißem Teppich ausgelegten Stufen hinauf. Sie hatte so wenig Kraft, dass sie sich aufs Geländer stützen musste. Ihr Herz pochte so laut, dass sie sich wunderte, dass niemand auf den Flur gestürmt kam.
    Im selben Augenblick, als Isabel den oberen Treppenabsatz erreichte, trat Edward auf den Flur hinaus, nur sein offenes Hemd über dem nackten Körper.
    Entsetzt starrte er Isabel an und wurde binnen Sekunden so bleich, dass sie meinte, er würde in Ohnmacht fallen. Rückwärts stolpernd griff er nach dem Türrahmen. «Was zum –?»
    «Baby? Was ist denn?», erklang eine Frauenstimme.
    Ohne eine Spur von irischem Akzent.
    Völlig nackt kam Carolyn Chenowith aus demselben Zimmer heraus, erblickte Isabel auf dem Treppenabsatz und erblasste. Einen Moment lang blieb sie wie erstarrt stehen, dann verschwand sie und kam in ein Bettlaken gehüllt und mit hochrotem Gesicht wieder auf den Flur.
    «Isabel, ich –», stotterte Carolyn, und ihr Gesichtsausdruck war … voller Mitgefühl.
    Edward hob die Hand und starrte Isabel mit Tränen in den Augen an. «Iz! Es … O Gott, es tut mir so leid, Isabel!»
    Isabel stand da, ohne zu atmen, unfähig, sich zu bewegen, unfähig, zu denken, zu begreifen.
    «Du –» Isabel versuchte, das Unfassbare auszusprechen.
Du hast eine Affäre. Noch dazu mit Carolyn Chenowith? Einer Mutter?
    Sie starrte die beiden fassungslos an, dann drehte sie sich um, rannte die Treppe hinunter und floh zur Tür hinaus.

[zur Inhaltsübersicht]
    2. June Nash
    J une hatte immer gehofft, dass Pauline Altman, sollte sie ihr jemals wieder über den Weg laufen müssen, mindestens zwanzig Kilo zugelegt hätte und ihr Gesicht von Erwachsenenakne entstellt wäre, aber so viel Glück war June nicht vergönnt. Immer noch blond, immer noch schlank, immer noch bildhübsch, stand Pauline bei Books Brothers in der Abteilung für Reiseliteratur und blätterte in einem Reiseführer über Peru. June, die eigentlich gerade
Paris ganz günstig
hatte zurückstellen wollen, das jemand auf einem der Cafétische hatte liegen lassen, flüchtete sich in den
Rund-um-Maine
-Gang und flüsterte einer der Verkäuferinnen zu, sie würde mal kurz ins Büro verschwinden.
    Sobald die Tür hinter ihr ins Schloss gefallen war, stieß June den Atemzug aus, den sie seit gefühlten sieben Jahren angehalten hatte.
    Als sie Pauline zuletzt gesehen hatte, war June einundzwanzig gewesen, im achten Monat schwanger und hatte in der
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