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Der Sommer, als der Regen ausblieb - Roman

Der Sommer, als der Regen ausblieb - Roman

Titel: Der Sommer, als der Regen ausblieb - Roman
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
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abreagieren kann, der Tag war frustrierend genug. Aber dabei kann es passieren, dass Vita einen Gang hochschaltet und alles eskaliert. Oder, andere Möglichkeit, er kann sich mit einem Witz aus der Pattsituation retten. Er entscheidet sich für die zweite Möglichkeit, das geht schneller und birgt weniger Risiken.
    »Hamm, hamm«, sagt er und tut so, als wolle er Vitas Bauch auffressen. »Ich bin ein Monster und werde dich verspeisen.« Dabei pflanzt er sie auf den Stuhl. »Ich habe solchen Hunger, dass ich dich auffressen muss, wenn du dein Essen nicht isst.«
    Vita lacht, bleibt aber – o Wunder! – brav sitzen. Erst als sie die Gabel ergreift, wagt er wieder zu atmen.
    »Was für ein Monster, Daddy?«
    »Ein riesiges Monster.«
    »Mit Haaren?«, ruft sie.
    »Klar mit Haaren. Ich bin ein Monster mit grünen Haaren.« Aber da sie immer noch keinen Bissen gegessen hat, nimmt er ihr jetzt die Gabel aus der Hand und füttert sie. »Und Zähnen?«
    »Mit Riesenzähnen. So große Zähne hast du noch nie gesehen.«
    »Haie«, mischt sich Hughie ein, »Haie haben gleich mehrere Reihen von …«
    »Und Krallen?«, fragt Vita und schleudert zermatschte Pasta auf den Tisch.
    »Ich wollte etwas sagen«, schreit Hughie. »Ich wollte etwas sagen, Daddy, aber sie unterbricht mich einfach.«
    »Vita, lass die anderen ausreden. Warte, bis du dran bist. Ja, auch Krallen. Jetzt sag schon, Hughie, was haben Haie?«
    »Sie haben mehrere Zahnreihen, die sie …«
    »Lebst du in einer Höhle?«
    »Jetzt macht sie es schon wieder!« Hughie bebt vor Wut. »Daddy!«
    In diesem Moment betritt Claire die Küche. Sie hat sich umgezogen, wie er bemerkt. Sie trägt einen Rock und eine ziemlich dünne Bluse, die sie über der Hüfte zusammengebunden hat.
    »Hallo, ihr Lieben«, sagt sie. »Lasst es euch schmecken.«
    »Du gehst noch weg?«, fragt er.
    Ihr Blick schweift suchend durch die Küche, kontrolliert die Regale und sogar den Fußboden. »Hat jemand meine …«
    »Mummy, Vita hat mich schon zweimal unterbrochen«, sagt Hughie und dreht sich ganz zu ihr.
    Claire tastet oben über den Geschirrschrank und macht einen Schritt auf die Hintertür zu, wo sie stehen bleibt. »Oh, wie bedauerlich, aber du hast mich gerade ebenfalls unterbrochen.«
    »Wo gehst du hin?«
    »Ich hab dich gar nicht unterbrochen.«
    »Doch, gerade. Du musst warten, bis der andere zu Ende geredet hat.«
    »Du hast mir gar nicht gesagt, dass du heute ausgehst.«
    Sie sieht ihn kurz an. »Habe ich wohl. Ich bin mit ein paar Kommilitonen zusammen. Wir treffen uns mit unserem Tutor und wollen später noch einen Happen essen gehen. Das habe ich dir genau so gestern gesagt, schon vergessen? Übrigens, hast du irgendwo meine …« Doch sie rechnet nicht wirklich damit, dass er ihr helfen kann. »Ach, ist ja auch egal.«
    »Deine was?«
    »Nichts.«
    »Du kannst es ruhig sagen.«
    »Daddy!« Vita langt mit einer tomatenverklebten Hand an seinen Ärmel. »Hat das Monster zwei Augen oder viele Augen?«
    »Nein, lass mal«, sagt Claire. »Es spielt keine Rolle.« Sie nimmt eine Stofftasche vom Boden, die er vorher noch nie gesehen hat, und erhascht einen Blick in ihren Ausschnitt. Er sieht die Spitzenborte ihres BHs, die beiden Erhebungen. Ihm kommt der Gedanke, dass auch andere aus der Diskussionsrunde (oder was immer sie da machen) es sehen könnten. »Ich bin dann mal weg«, sagt sie und küsst ihren Kindern auf den Kopf. »Ich sage schon mal gute Nacht, weil ich wahrscheinlich erst zurückkomme, wenn ihr schon am Schlafen seid …«
    »Um welche Zeit willst du denn wieder hier sein?«
    »Daddy: zwei Augen oder viele Augen? Oder viele Augen an komischen Stellen, so an den Armen oder an den Ohren?«
    »Und wer bringt mich jetzt ins Bett?«, barmt Hughie.
    »Kann später werden«, sagt Claire mit einer wegwerfenden Handbewegung. »Ich weiß noch nicht.«
    »Oder an den Beinen? Augen an den Beinen sind total nützlich, weil dann kann man damit …«
    »Und was ist mit Baden heute? Wer lässt mir jetzt das Wasser in die Wanne ein?«
    »Dein Vater natürlich.« Claire drückt ihn kurz. »Aber das fällt heute ohnehin aus wegen der Wassersperre, das weißt du doch.«
    »Nur ungefähr die Zeit, bitte.«
    »Ich sagte doch, ich weiß es nicht. Ich weiß nicht, wie lange ich bleibe.«
    »Oder an den Händen. Dann könntest du immer ganz genau sehen, was du anpackst. Wenn du zum Beispiel einen kleinen Menschen fressen willst oder …«
    Als Claire durch die Tür geht, drückt ihm Hughie
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