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Der Sommer, als der Regen ausblieb - Roman

Der Sommer, als der Regen ausblieb - Roman

Titel: Der Sommer, als der Regen ausblieb - Roman
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
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ein Toast-Dreieck in die Hand.
    »Also tschüs, ihr Lieben«, ruft Claire aus der Diele.
    »Ich kann das nicht essen«, sagt Hughie. »Es hat an der Kruste überall Sauce dran.«
    »Daddy, du hörst mir gar nicht zu. Wo hast du deine Augen?«
    Das Telefon klingelt. Vita redet lauter und lauter. Mit der Begründung, dieses oder jenes nicht essen zu können, schiebt Hughie immer mehr Essen vom Teller, und Claire ruft irgendwas aus der Diele.
    »Was ist?«, sagt er und läuft ihr nach. »Ich kann dich nicht hören.«
    Sie steht im Türrahmen, wo die Sonne durch ihre Bluse scheint und die Haare rund um das sommersprossige Gesichtchen in Flammen setzt. Allein dieser Anblick schmerzt. Bleib hier, will er sagen, geh nicht. Bleib bei mir.
    »Ich sagte nur, das ist vermutlich deine Mutter am Telefon. Sie hat schon den ganzen Nachmittag angerufen.«
    »Oh«, sagt er.
    »Sie hat ihren Schlüssel verloren oder so etwas.«
    »Alles klar.«
    Das Telefon hinter ihm verstummt plötzlich, und Hughie sagt: »Hallo?«
    »Claire?«
    »Ja?« Sie hat eine Hand an der Tür, einen Fuß bereits über die Schwelle gesetzt.
    »Geh nicht.«
    »Was?«
    »Bitte!« Er fasst sie am Handgelenk, wo zusammenstrebende Handknochen auf die langen Unterarmknochen treffen.
    »Michael …«
    »Nur heute Abend. Bleib heute Abend hier. Geh nicht zu dieser Sache. Ich erkläre dir alles, was du über die industrielle Revolution wissen musst. Bleib bei uns, bitte.«
    »Ich kann nicht.«
    »Doch, du kannst.«
    »Es geht nicht. Ich habe ihnen versprochen …«
    »Scheiß auf die anderen.«
    Ein Fehler, wie sich zeigt, denn ihre Miene verdunkelt sich sofort. Sie starrt ihm ins Gesicht. Etwas weiter hinten erklärt Hughie seiner Großmutter, dass Daddy nicht ans Telefon kommen kann, weil er Mummy, die gerade gehen will, anschreit. Claire scheint etwas sagen zu wollen, dreht jedoch nur den Kopf weg und tritt ganz hinaus. Dann schließt sich die Tür.
    Er braucht einen Moment, um zu begreifen, dass sie wirklich weg ist. Er starrt auf die Tür, das angelaufene Messing des Beschlags und wie wunderbar diese blauen Glasfelder in die Tür eingepasst sind. Erst dann merkt er, das Hughie neben ihm steht.
    »Daddy, Daddy!«, ruft er.
    »Was ist?«, sagt er und schaut seinen Sohn an, diese Mi niversion seiner Frau, die soeben das gemeinsame Haus verlassen hat.
    »Oma ist am Telefon. Sie sagt …«
    Er geht ins Wohnzimmer und ergreift den Hörer. »Mum? Entschuldige bitte, ich war gerade …«
    Doch seine Mutter ist mitten in einem Satz, vermutlich sogar mitten in einer längeren Schilderung. »… und ich sagte zu dem Mann, ich brauche heute aber keine Limonade, kommen Sie am Donnerstag wieder, und weißt du, was er zu mir sagte? Er sagte …«
    »Mum«, sagte er abermals. »Ich bin’s.«
    »… dabei hatte er ohnehin kaum noch was in seinem Wagen, und trotzdem sagte er …«
    »Mum!«
    Die Leitung war plötzlich still. »Bist du das, Michael Francis?«
    »Ja.«
    »Oh, ich dachte, ich spreche mit Vita.«
    »Nein, das war Hughie.«
    »Ach so, ja … Jedenfalls habe ich deswegen heute Nachmittag schon mit Claire telefoniert, aber sie hatte irgendwie gar keine Zeit, ich weiß auch nicht … das Problem ist jedenfalls, dass er ja den Schlüssel für den Schuppen hat und dass …«
    »Wer hat den Schlüssel zum Schuppen?«
    »Und ich sage ihm noch, dass das Frühstück fertig ist, aber du weißt ja, wie er ist ohne seine Zeitung …«
    »Was für eine Zeitung?«
    »Die Sache ist nämlich die, unsere Tiefkühltruhe steht in dem Schuppen, wie du weißt.«
    Er fasst sich an die Stirn. Die Gespräche mit seiner Mutter verheddern sich schnell in einem undurchdringlichen Ge strüpp von Namen und Orten. Was man dann brauchte, war zumindest ein Anhaltspunkt, von wem sie gerade sprach. Der Rest ergab sich irgendwie.
    »… sie sagte, sie hätte heute gerade überhaupt keine Zeit, aber …«
    »Wer? Wer hatte keine Zeit?«
    »Ich weiß ja, dass sie viel zu tun hat. Sie hat eben viel um die Ohren …«
    Er hat jetzt einen Verdacht. Es gibt nur eine, auf die seine Mutter diesen Ausdruck anwendet. »Du meinst Monica? Sprichst du von Monica, Mum?«
    »Ja«, sagt seine Mutter und klingt beleidigt. »Ich meine, dass man keine Zeit hat, bleibt ja nicht aus, wenn man eine Katze hat, deshalb habe ich mich gefragt, ob du vielleicht …«
    »Ich?« Er spürt, dass er endlich alles rauslassen, endlich jemandem seine Meinung sagen kann, und es fühlt sich gut an. »Also wenn ich dich recht verstehe,
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