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Der Sohn der Schatten

Der Sohn der Schatten

Titel: Der Sohn der Schatten
Autoren: Juliet Marillier
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untergehenden Sonne.
    Ich … ich weiß nicht, was ich spüre, Onkel. Dunkelheit  … irgendetwas ist schrecklich falsch. Und dennoch, es ist, als würde ich es auf uns herabbeschwören, indem ich daran denke. Wie ist das möglich, gerade jetzt, wenn alles so gut ist und alle so glücklich sind?
    Die Zeit ist gekommen. Mein Onkel ließ nicht auch nur durch die geringste Geste erkennen, dass er mit mir sprach. Wunderst du dich, dass ich mit dir reden kann? Du solltest mit Sorcha sprechen, wenn du sie dazu bringen kannst zu antworten. Sie und Finbar waren es, die diese Fähigkeit einmal wunderbar beherrschten. Doch es tut ihr vielleicht weh, sich daran zu erinnern.
    Du sagtest, es sei Zeit. Zeit wozu?
    Wenn es möglich war, lautlos zu seufzen, dann war es dies, was Conor mir jetzt übermittelte. Zeit, dass ihre Hände im Topf rühren. Zeit, dass ihre Finger ein Stück weiter am Muster weben. Zeit, dass ihre Stimmen mit dem Lied beginnen. Du brauchst dich nicht schuldig zu fühlen, Liadan. Sie benutzen uns alle, und wir können nicht viel dagegen tun. Ich habe das auf sehr schlimme Weise entdecken müssen. Und ich fürchte, es wird dir nicht anders gehen.
    Wie meinst du das?
    Das wirst du schon bald herausfinden. Warum freust du dich nicht und bist jung, solange du noch Gelegenheit dazu hast?
    Das war alles. Er schloss seine Gedanken so plötzlich vor mir ab, als würde eine Falltür zugeworfen. Dann sah ich, wie er stehen blieb und wartete, dass meine Mutter und Iubdan ihn einholten, und dann gingen die drei zusammen ins Haus. Ich wusste immer noch nicht, was ich mit diesem seltsamen Gespräch anfangen sollte.
    Meine Schwester war an diesem Abend sehr schön. Man hatte die Feuer im Haus wieder entzündet, und draußen gab es ein Freudenfeuer und Apfelwein und Tanz. Es war recht kühl. Ich hatte einen Schal um die Schultern gelegt und schauderte immer noch. Aber Niamhs Schultern über ihrem dunkelblauen Gewand waren nackt, und sie hatte sich Seidenbänder und kleine Frühveilchen ins Haar geflochten. Als sie tanzte, schimmerte ihre Haut im Feuerlicht, und in ihren Augen stand eine Herausforderung. Die jungen Männer konnten die Blicke kaum von ihr wenden, als sie erst mit einem, dann mit dem anderen davontanzte. Selbst die jungen Druiden hatten, wie ich dachte, Schwierigkeiten, nicht mit den Füßen zu zucken und weiter angemessen ernst dreinzuschauen. Seamus hatte Musiker mitgebracht. Sie waren gut – ein Mann mit einer Flöte, ein Geiger und einer, der alles spielen konnte, was er anfasste, ob Bodhran oder Flöte. Auf dem Hof standen Tische und Bänke, und die älteren Druiden saßen dort neben den Leuten, die zum Haushalt gehörten, unterhielten sich und tauschten Geschichten aus und sahen zu, wie die jungen Leute Spaß hatten.
    Es gab nur einen, der weitab von ihnen stand, und das war der junge Druide, der mit dem dunkelroten Haar, der die Feuer des Haushalts mit seiner geheimnisvollen Fackel wieder entzündet hatte. Er allein hatte nichts gegessen und nichts getrunken. Während der ganze Haushalt um ihn herum fröhlich war, legte er kein Zeichen von Freude an den Tag. Sein Fuß bewegte sich zu keinem der alten Lieder. Er hob die Stimme nicht, um mitzusingen. Stattdessen stand er aufrecht und schweigend und wachsam hinter der Hauptgruppe von Menschen. Ich hielt das nur für vernünftig. Es war klug, dass einige nichts von dem starken Bier tranken, dass einige nach unerwünschten Gästen lauschten und schon die ersten Anzeichen von Gefahr wahrnehmen würden. Ich wusste, dass Liam zusätzlich zu den üblichen Wachen und Spähern Männer aufgestellt hatte, die das Haus an strategischen Punkten bewachten. Ein Angriff auf Sevenwaters heute Nacht würde nicht nur die Oberhäupter der mächtigsten Familien im Nordosten, sondern auch ihre geistlichen Führer treffen. Also ging er kein Risiko ein.
    Aber dieser junge Mann stand nicht Wache, oder falls das seine Aufgabe war, gab er einen jämmerlichen Wächter ab. Denn der Blick seiner dunklen Augen richtete sich nur auf eines, und das war meine reizende, lachende Schwester Niamh, wie sie da im Feuerlicht tanzte, umweht von ihrem Vorhang rotgoldenen Haars. Ich sah, dass der junge Mann sich kaum regte, dass er sie mit Blicken verschlang, und dann wandte ich mich ab und ermahnte mich, nicht dumm zu sein. Das hier war immerhin ein Druide; ich nahm an, sie hatten Bedürfnisse wie alle anderen Menschen, also war sein Interesse ganz natürlich. Mit solchen Dingen umzugehen, war
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