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Der Sohn der Schatten

Der Sohn der Schatten

Titel: Der Sohn der Schatten
Autoren: Juliet Marillier
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dir für den Tanz, Liadan. Vielleicht solltest du mich Richter deiner Fähigkeit sein lassen.«
    Ich blickte zu ihm auf, versuchte herauszufinden, was er damit meinte, aber seine Miene verriet nichts. Dann rief jemand nach ihm, und mit einem knappen Nicken war er fort.
    ***
    Ich arbeitete am nächsten Morgen im Garten, denn das Wetter war schön, wenn auch kühl, und es gab an den Kräuterbeeten viel zu tun. Mutter kam nicht zu mir heraus, um mitzuarbeiten, was ungewöhnlich war. Vielleicht, dachte ich, war sie nach dem Fest noch müde. Ich jätete und putzte und fegte, machte einen Huflattichsud, den ich später ins Dorf bringen wollte, und bündelte Heidekraut zum Trocknen. Es war ein geschäftiger Morgen. Ich hatte Eamonn vollkommen vergessen, bis mein Vater gegen Mittag in den Raum kam, wo wir die Kräuter aufbewahrten und verarbeiteten. Er duckte sich unter dem niedrigen Türsturz durch, setzte sich dann auf das breite Fensterbrett und streckte die langen Beine vor sich aus. Auch er hatte gearbeitet und seine Stiefel noch nicht gewechselt, an denen noch frisch gepflügte Erde hing. Aber das würde ich leicht wegfegen können.
    »Viel zu tun?«, fragte er und warf einen Blick auf die wohl geordneten Bündel trocknender Kräuter, die Fläschchen mit Arzneien, die Werkzeuge, die noch auf dem Arbeitstisch lagen.
    »Ja«, meinte ich und beugte mich vor, um mir in dem Eimer an der Tür nach draußen die Hände zu waschen. »Wo war Mutter heute Früh? Hat sie sich noch ausgeruht?«
    Er runzelte ein wenig die Stirn. »Sie ist früh aufgestanden. Erst hat sie mit Conor gesprochen. Später dann mit Liam. Sie muss sich ausruhen.«
    Ich säuberte die Messer, Mörser und Stößel und räumte alles wieder auf die Regale. »Das wird sie nicht tun«, sagte ich. »Du kennst sie doch. So ist es eben, wenn Conor herkommt. Es ist, als hätten sie nie genug Zeit füreinander, als wäre immer zu viel zu besprechen. Als könnten sie nie die Jahre einholen, die sie verloren haben.«
    Vater nickte, aber er sagte nichts weiter. Ich holte den Reisigbesen heraus und begann zu fegen.
    »Ich werde später ins Dorf gehen«, sagte ich zu ihm. »Dann braucht sie das nicht zu tun. Vielleicht wird sie ja dann versuchen zu schlafen, wenn du es ihr sagst.«
    Iubdans Mund zuckte an einer Seite zu einem halben Lächeln.
    »Ich sage deiner Mutter nie, was sie tun soll«, meinte er. »Das weißt du doch.«
    Ich grinste ihn an. »Nun, dann werde ich es ihr sagen. Die Druiden sind immerhin noch einen oder zwei Tage hier. Sie hat Zeit genug, mit ihm zu reden.«
    »Das erinnert mich an etwas«, sagte Vater und hob die Füße, damit ich den Boden direkt vor dem Sims fegen konnte. Als er die Stiefel wieder absetzte, rieselte ein neuer Regen von Erde auf die Pflastersteine. »Ich habe eine Botschaft für dich.«
    »Oh?«
    »Von Eamonn. Er hat mich gebeten, dir zu sagen, dass man ihn dringend nach Hause gerufen hat. Er ist heute sehr früh aufgebrochen – zu früh, als dass es angemessen gewesen wäre, mit dir zu sprechen, wie er es ausgedrückt hat. Er lässt ausrichten, dass er mit dir sprechen wird, wenn er zurückkehrt. Weißt du, um was es da geht?«
    »Eigentlich nicht«, sagte ich und fegte den letzten Dreck aus der Tür und die Treppe hinunter. »Er hat mir nicht gesagt, worüber er mit mir reden wollte. Warum hat man ihn weggeholt? Was war denn so dringend? Ist Aisling auch weg?«
    »Aisling ist noch hier; sie ist unter unserem Schutz sicherer. Es war eine Angelegenheit, die nach raschen Entscheidungen verlangte. Er hat seinen Großvater und diejenigen unter seinen Männern mitgenommen, die sofort aufbrechen konnten. Wenn ich es recht verstehe, hat man seine Grenze wieder angegriffen. Aber niemand wusste so recht, wer es war. Ein Feind, der sich insgeheim angeschlichen und skrupellos zugeschlagen hat wie ein Raubvogel – das war die Beschreibung. Der Mann, der die Nachricht brachte, hatte vor Angst offenbar fast den Verstand verloren. Wir werden wohl mehr erfahren, wenn Eamonn zurückkommt.«
    Wir gingen hinaus in den Garten. In dieser kühlen Jahreszeit war der Frühling noch kaum mehr als ein Gedanke; die winzigsten, zerbrechlichsten Krokussprösslinge erschienen aus dem festen Boden, ein Hauch von Knospen schwoll an den Zweigen der jungen Eichen. Früh blühendes Gänsefingerkraut leuchtete in lebhaftem Gelb vor dem gräulichen Grün des Lavendels. Die Luft roch kühl und sauber. Die gepflasterten Wege waren frisch gefegt, die Kräuterbeete
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