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Der Simulator

Der Simulator

Titel: Der Simulator
Autoren: Marco Lalli
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auch zu hoch gegriffen, fügte ich für mich in Gedanken hinzu.
    Auf einigen Monitoren folgten die Bilder in einem schnellen Wechsel aufeinander. Auf anderen schien die Kamera zu wandern, entfernte oder näherte sich, vollführte seltsam ungewohnte Bewegungen. Am ehesten erkannte man an dieser virtuellen Kamera, dass es sich um eine Simulation handelte.
    »Sie meinen«, der Hauptkommissar suchte nach Worten, »es sieht nur so aus als ob?«
    »Ja, es ist wie ein Computerspiel. Eine Mischung aus Aufbau-und Rollenspiel. Nur komplexer, viel komplexer.«
    »Verstehe.« Es klang nicht überzeugt. »Aber es ist kein Spiel?«
    »Nein, es ist kein Spiel.« Ich deutete auf eine Tür. »Kommen Sie!«
    Hinter der Tür gab es noch einen Raum. Dort standen zwei Liegen, teils Bett, teils Entspannungssessel. Graues, wulstiges Leder, das sich um den Körper schmiegte. Sonden und Elektroden, eine Kopfhaube, aus der ein dickes Bündel Kabel trat. Auch die Wände waren gepolstert. Wenig Licht.
    Fast stolz zeigte ich in das nicht allzu große Zimmer hinein. »Das ist das … biologische Interface. Wir nennen es Kontaktraum.«
    Obwohl es sich um das Herzstück der Anlage handelte, das eigentlich Spektakuläre, das Blinzle geschaffen hatte, schien der Kontaktraum die beiden Beamten weniger zu faszinieren, als ich erwartet hatte. Vielleicht lag es daran, dass der Raum auf den ersten Blick einer Krankenstation ähnelte, wie es sie auch im Heidelberger Präsidium geben mochte, vielleicht glaubten sie, eine solche Anlage schon in unzähligen Science Fiction-Filmen gesehen zu haben.
    »Das ist das Tor zum Simulator.« Ich tätschelte das weiche Leder. Wie viele Stunden hatte ich schon darauf gelegen? »Von hier aus können Sie in den Körper jeder beliebigen Einheit schlüpfen. Dann sehen Sie ihre Welt mit ihren Augen, Sie hören, was sie hört, und Sie fühlen, was sie fühlt.«
    »Waren Sie schon … unten?« Es war das erste Mal, dass Bartels Begleitung etwas sagte. Sie schien sehr zurückhaltend, fast schüchtern zu sein. Ich nickte. »Und … wie ist … diese Welt?«
    Obwohl ich mir diese Frage schon unzählige Male selbst gestellt hatte, musste ich kurz nachdenken. Was war der augenscheinlichste Unterschied zwischen unserer realen und der simulierten Welt? Ich lächelte: »Sie ist unserer Welt sehr ähnlich. Verblüffend ähnlich. Der Hauptunterschied besteht vielleicht darin, dass bei uns alles so unglaublich detailreich ist. Kleinigkeiten. Ein Tisch voller Krümel. Fusseln, die man sich vom Pullover zupfen kann. Staubkörper, die durch die Luft wirbeln, in der schräg einfallenden Sonne aufblitzen wie winzige Sterne. Ein Fettrand auf einem Teller, Soßenspritzer auf einer Kachel in der Küche.« Jedes Mal, wenn ich zurückkam war ich überwältigt. »Wir sind so unglaublich reich. Und wir machen uns so wenig daraus. Im Gegenteil«, wieder musste ich lächeln, »wir putzen und saugen und wischen den ganzen Tag, um alles zu beseitigen.«
    Ernst sah sie mich an, erwiderte aber nichts. Bartels sah sich flüchtig um. »Mir wird nicht ganz klar, wozu Sie das brauchen. Ist das nicht furchtbar umständlich?« Der Zweck des Interfaces erschien mir so offensichtlich, dass ich den Hauptkommissar nicht gleich verstand. Als er meinen Blick bemerkte, deutete er hinter sich zum Kontrollraum: »Ich meine, Sie können alles beobachten. Jeden Furz aufzeichnen, wenden und drehen von allen Seiten. Ich nehme an, sie können auch Analysen aller Art durchführen, biologische, chemische, was weiß ich...« Er hob die Hände.
    »Ja, und wir können auch jedes Detail verändern…«
    »Wozu müssen Sie dann auch physisch «, er schien sich unsicher, ob es das richtige Wort war, »dort anwesend sein? Wozu müssen Sie da runter ? Oder machen Sie es zum Spaß?«
    »Kowalski hätte das Interface kaum bauen lassen, um damit zu spielen. Und, ehrlich gesagt, es macht viel weniger Spaß, als man meinen könnte.« Ich überlegte kurz. Sicherlich wäre der Spaß größer, wenn man den Simulator nicht zu Marktforschungszwecken gebaut hätte. Man hätte ein Urlaubsparadies erschaffen können, einen Vergnügungspark mit ungeahnten Attraktionen. Und vieles andere mehr. »Nein, es macht keinen Spaß, da runter zu gehen. Es ist so seltsam vertraut, in vielem unserer Welt so ähnlich, dass es unheimlich ist.« Ich dachte an die Hauptstraße mit ihren Geschäften, den Videofonläden, den Spielhöllen. An die Menschen, Reaktionseinheiten, verbesserte ich mich, die mit
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