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Der Simulant

Der Simulant

Titel: Der Simulant
Autoren: Chuck Palahniuk
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wollte die amerikanische Staatsbürgerschaft.«
    Die gestohlene Vorhaut. Die Reliquie.
    Ich sage, das spiele doch keine Rolle mehr.
    Ich strecke den Arm aus und schiebe ihr den Löffel in den Mund.
    Denny meint ja, die Wiederkunft Christi sei womöglich etwas, was nicht von Gott entschieden werde. Vie l leicht stelle Gott es den Menschen anheim, die Fähi g keit zu entwickeln, Christus wieder in ihr Le ben aufz u nehmen. Vielleicht wolle Gott, dass wir unseren Erl ö ser selbst erfinden, wenn wir so weit sind. Wenn wir ihn wirklich dringend nötig haben. Denny sagt, vie l leicht ist es unsere Aufgabe, den Messias selbst zu erschaffen.
    Um uns zu erlösen.
    Wieder wandern fünfzig Kalorien in ihren Mund.
    Vielleicht können wir mit kleinen Schritten lernen, Wunder zu wirken.
    Und noch ein Löffel mit braunem Zeug verschwindet in ihrem Mund.
    Sie dreht sich wieder zu mir um, die Runzeln drücken ihr die Augen zusammen. Mit der Zunge verteilt sie den Pudding in die Backen. Schokoladenpudding quillt ihr aus den Mundwinkeln. Und sie sagt: »Wovon zum Teufel redest du eigentlich?«
    Und ich sage: »Ich weiß, dass ich Jesus Christus bin.«
    Ihre Augen werden riesengroß, und ich löffle ihr noch mehr Pudding rein.
    »Ich weiß, dass du, als du aus Italien gekommen bist, von der heiligen Vorhaut schwanger warst.«
    Noch ein Löffel Pudding.
    »Ich weiß, dass du das alles auf Italienisch in dein Tagebuch geschrieben hast, damit ich es nicht lesen kann.«
    Noch ein Löffel Pudding.
    Und ich sage: »Jetzt kenne ich mein wahres Wesen. Ich weiß, dass ich ein barmherziger, mitfühlender Mensch bin.«
    Noch ein Löffel Pudding.
    »Und ich weiß, dass ich dich erretten kann«, sage ich.
    Meine Mutter sieht mich nur an. Ihr Blick drückt u n endliches Verständnis und Mitleid aus. Sie sagt: »Was redest du da für einen Scheiß?«
    Sie sagt: »Ich habe dich aus einem Kinderwagen in Waterloo, Iowa, gestohlen. Ich wollte dir das Leben ersparen, das dich da erwartet hätte.«
    Kinder sind Opium für das Volk.
    Siehe auch: Denny mit seinem Kinderwagen, voll g e laden mit gestohlenem Sandstein.
    Sie sagt: »Ich habe dich entführt.«
    Die Arme. Umnachtet, geisteskrank. Sie weiß nicht, was sie redet.
    Ich schiebe ihr noch mal fünfzig Kalorien rein.
    »Schon gut«, sage ich. »Dr. Marshall hat dein Tag e buch gelesen und mir die Wahrheit gesagt.«
    Die nächste Portion brauner Pudding.
    Und als sie den Mund zum Sprechen öffnet, löffle ich ihr noch eine Ladung rein.
    Ihre Augen treten vor, Tränen laufen ihr über die Wangen.
    »Schon gut. Ich vergebe dir«, sage ich. »Ich liebe dich, und ich bin hier, um dich zu retten.«
    Ich halte ihr den nächsten Löffel vor die Lippen und sage: »Du musst nur schlucken. Das ist alles.«
    Ihre Brust hebt sich, brauner Pudding rinnt ihr aus der Nase. Man sieht nur noch das Weiße in ihren Augen. Ihre Haut läuft bläulich an. Noch einmal hebt sich ihre Brust.
    Ich sage: »Mutter?«
    Ihre Hände und Arme zittern, ihr Kopf stemmt sich ins Kissen. Ihre Brust hebt sich, der braune Schlamm fährt ihr röchelnd in die Kehle.
    Ihr Gesicht und ihre Hände sind blau. Die Augen weiße Halbkugeln. Alles riecht nach Schokolade.
    Ich drücke auf den Knopf, der die Schwester alarmiert.
    Ich sage: »Keine Panik.«
    Ich sage: »Es tut mir Leid. Es tut mir Leid. Es tut mir Leid … «
    Keuchend und strampelnd, hält sie den Hals umkla m mert. So muss das aussehen, wenn ich meine Erst i ckungsnummer abziehe.
    Dann taucht an der anderen Seite des Bettes Dr. Marshall auf. Paige drückt meiner Mutter mit einer Hand den Kopf nach hinten. Mit der anderen Hand schaufelt sie ihr Pudding aus dem Mund.
    Sie sagt: »Was ist passiert?«
    Ich wollte sie retten. Sie hat wirres Zeug geredet. Sie weiß nicht mehr, dass ich der Messias bin. Ich bin hier, um sie zu erretten.
    Paige bückt sich über meine Mutter und haucht ihr in den Mund. Sie richtet sich auf. Dann haucht sie ihr wieder in den Mund, und jedes Mal, wenn Paige sich aufrichtet, ist ihr Mund etwas mehr mit braunem Pu d ding beschmiert. Mit Schokolade. Wir haben nur noch diesen Geruch in der Nase.
    Ich halte immer noch den Puddingbecher in der einen und den Löffel in der anderen Hand.
    Ich sage: »Schon gut. Ich kann das machen. Genau wie bei Lazarus«, sage ich. »Ich mache das nicht zum ersten Mal.«
    Und ich senke die gespreizten Hände auf ihre ke u chende Brust.
    Ich sage: »Ida Mancini. Ich gebiete dir zu leben!«
    Paige unterbricht ihre Mund-zu-Mund-Beatmung.
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