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Der Simulant

Der Simulant

Titel: Der Simulant
Autoren: Chuck Palahniuk
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Rhythmus der Basslinie eines seiner alten Lieblingssongs von R a diohead. Der Mann ist total high, voll auf Ecstasy.
    Dann erblicke ich Ursula, das Milchmädchen. Ich ke n ne die Kleine und schüttle zum Gruß die Faust vorm Hosenlatz: internationale Zeichensprache für Mastu r bation. Sie errötet unter ihrer steifen weißen Haube, zieht ein zierliches bleiches Händchen aus der Schü r zentasche und streckt mir den Mittelfinger entgegen. Dann schiebt sie ab, um irgendeiner glücklichen Kuh den ganzen Nachmittag einen abzuwichsen. Ich weiß auch, dass sie sich vom Kronkonnetabel betatschen lässt, der hat mich nämlich einmal an seinen Fingern riechen lassen.
    Selbst über diese Entfernung und durch den ganzen Pferdemist hindurch kann man den Joint riechen, der sie wie eine Dunstglocke umhüllt.
    Kühe melken, Butter stampfen. Klarer Fall, dass Milchmädchen es einem gut mit der Hand besorgen können.
    »Gevatterin Landson ist ein Miststück«, sage ich zu Denny. »Der Pfaffe sagt, sie hat ihn übel mit Herpes angesteckt.«
    Die ganze Geschäftszeit über ist sie eine blaublütige Yankeefrau, das schon, aber hinter ihrem Rücken weiß jeder, dass sie auf der High-School in Springburg bei der ganzen Footballmannschaft als Aphrodite Sauggl o cke bekannt war.
    Diesmal bleibt die eklige Perücke oben. Der Siedlung s gouverneur entlässt uns aus seinem finsteren Blick und verschwindet im Zollhaus. Die Touristen schle n dern auf der Suche nach anderen Fotomotiven weiter. Es fängt an zu regnen.
    »Schon gut, Mann«, sagt Denny. »Du brauchst nicht hier draußen bei mir zu bleiben.«
    Wieder mal einer dieser beschissenen Tage im ach t zehnten Jahrhundert.
    Trägst du einen Ohrring, kommst du ins Gefängnis. Färbst du dir dein Haar. Trägst du ein Nasenpiercing. Benutzt du ein Deo. Gehe in das Gefängnis. Begib dich direkt dorthin. Gehe nicht über Los. Ziehe einen Dreck ein.
    Der Siedlungsgouverneur lässt Denny mindestens zweimal die Woche in den Stock schließen: weil er Tabak kaut, Parfüm benutzt oder sich den Schädel rasiert.
    In den Dreißigerjahren des achtzehnten Jahrhunderts hat kein Mensch einen Spitzbart getragen, wird Denny von Seiner Hoheit mitgeteilt.
    Und Denny gibt frech zurück: »Die echt coolen Siedler vielleicht doch.«
    Und wieder muss Denny in den Stock.
    Denny und ich, wir witzeln oft, seit 1734 seien wir co-abhängig. Weiter zurück gehen wir nicht. Wir haben uns in einer Therapiegruppe für Sexsüchtige kennen gelernt. Dann hat Denny mich auf die Kleinanzeige aufmerksam gemacht, und wir sind zusammen zum Vorstellungsgespräch gegangen.
    Aus purer Neugier frage ich bei diesem Gespräch, ob man auch schon eine Dorfhure angeheuert habe.
    Der Stadtrat sieht mich nur an. Die Leute vom Einste l lungsausschuss, sechs alte Knacker, tragen sogar hier, wo niemand sie sehen kann, diese falschen alten Per ü cken. Schreiben mit echten Vogelfedern, die sie in Tinte tauchen. Der in der Mitte, der Siedlungsgouve r neur, stöhnt. Er lehnt sich zurück und mustert mich durch seine Drahtbrille. »Im Dunsboro des achtzeh n ten Jahrhunderts«, sagt er, »gibt es keine Dorfhure.«
    »Und wie steht ’ s mit einem Dorftrottel?«, frage ich.
    Der Gouverneur schüttelt den Kopf: Nein.
    »Taschendiebe?«
    Nein.
    »Henker?«
    Ganz gewiss nicht.
    Das ist das Problematischste an solchen Museumsdö r fern. Dass die besten Sachen weggelassen werden. Typhus zum Beispiel. Und Opium. Scharlachbuchst a ben für Eheverbrecher. Verbannung. Hexenverbre n nungen.
    »Sie sind darauf aufmerksam gemacht worden«, sagt der Gouverneur, »dass alle Aspekte Ihres Verhaltens und Ihres Äußeren mit unserer offiziellen Geschicht s epoche in Einklang zu sein haben.«
    Mein Job besteht darin, einen zwangsverpflichteten irischen Dienstboten zu mimen. Bei sechs Dollar die Stunde ist das unglaublich realistisch.
    In der ersten Woche wurde ein Mädchen gefeuert, weil sie beim Butterstampfen einen Song von Erasure vor sich hin gesummt hatte. Nun ja, Erasure sind zwar irgendwie schon historisch, aber noch nicht historisch genug. Sogar so was Uraltes wie die Beach Boys kann einen in Schwierigkeiten bringen. Als ob die albernen gepuderten Perücken und die Kniehosen und Schna l lenschuhe nicht auch bloß Talmi wären.
    Seine Hoheit verbietet Tätowierungen. Nasenringe müssen während der Arbeitszeit im Spind bleiben. Man darf keinen Kaugummi kauen. Man darf keine Songs der Beatles pfeifen.
    »Wer aus der Rolle fällt«, sagt er, »wird
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