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Der silberne Traum - Die Chroniken der Nebelkriege ; 4

Der silberne Traum - Die Chroniken der Nebelkriege ; 4

Titel: Der silberne Traum - Die Chroniken der Nebelkriege ; 4
Autoren: Ravensburger
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krümmte den langen Fischschwanz, zerrte mit den überlangen Armen ein Bündel aus Tang aus dem Wasser und ließ es samt Inhalt neben sich auf den Felsboden klatschen.
    »Schöner Fang. Schöner Fang!«, hechelte sie. »Mutter weiß, wie gut du schmeckst. Mutter würde dich gern fressen. Ja, das würde sie. Aber Mutter darf nicht. Noch nicht.« Die Sirene packte die Beute mit einer ihrer Klauen und richtete ihren menschlichen Oberkörper so hoch auf, dass sie fast gegen die Höhlendecke stieß. Ihr Fischschwanz wand sich derweil wie eine Schlange. Mit dem anderen Arm krallte sie sich am Boden fest und zerrte das Netz in den rechten Felstunnel. Kurz darauf war das Ungeheuer aus Fis Sicht verschwunden. Sie hörte nur noch ein fernes Platschen, gefolgt von einem irren Singsang, der verzerrt von den Höhlenwänden widerhallte.
    »Bei allen Schattenmächten, das ist die Sirene?« Fi sah Kriwa fassungslos an. »Sagtest du nicht, sie sei nur etwas größer als eine Meernymphe?«
    »Na ja, ich wollte dich nicht beunruhigen«, antwortete die Möwe wenig schuldbewusst.
    »Wie zuvorkommend!« Längst hielt Fi den Bogen schussbereit. Noch zwei Pfeile. Gegen ein derartiges Monster kam sie unmöglich mit nur zwei Pfeilen an. Während Fi noch überlegte, was sie tun konnte, war von irgendwoher der silberhelle Klang einer Glocke zu hören. Das durchdringende Geräusch schmerzte in den Ohren und Fi stellten sich die Nackenhaare auf. Es kam aus dem linken Tunnel, aus dem der Luftzug wehte. Selbst Kriwa legte irritiert den Kopf schräg.
    Kurz darauf ertönten wieder hässliche Kratz- und Schabelaute. Fi konnte sich bildhaft vorstellen, wie die Sirene ihren massigen Fischkörper zurück in die Höhle zwängte.
    »Mutter kommt schon«, hechelte das Scheusal. »Mutter kann es kaum erwarten, ihrer Herrin eine gute Dienerin zu sein.« Die Schleifgeräusche zogen sich durch die Höhle, wurden schließlich leiser, bis nur noch das Glucksen aus dem Wasserloch zu hören war.
    »Was war das?«, flüsterte Fi.
    »Ein Schiff. Womöglich aus Albion«, antwortete Kriwa, die bereits zurück in Richtung Grotte flog. »Schnell, lass uns Koggs warnen.«
    »Warte!« Fi trat aus ihrem Versteck und näherte sich dem Tunnel, in den die Sirene ihre Beute geschleift hatte. »Lass uns erst nachsehen, was dieses Biest mitgebracht hat.«
    Sie umrundete das Wasserloch und betrat vorsichtig den Felsengang. Der üble Geruch nach verrottetem Fisch drehte ihr fast den Magen um, doch die Neugier trieb sie weiter, denn aus der Ferne war ein leises Plätschern zu hören.
    Fi gelangte in eine weitere Höhle, nicht größer als der Stauraum auf Koggs’ Schiff. Die niedrige Gesteinsdecke glänzte feucht und kleinere Stalaktiten hingen wie Eiszapfen daran.
    Unmittelbar vor Fi spannte sich eine Wasserfläche auf, die fast die Hälfte des Felsengewölbes einnahm und dessen bewegte Oberfläche im Schein der Phiole bläuliche Lichtreflexe an die Wände warf. Fi lauschte. Erst als sie sicher war, dass niemand auf sie lauerte, hielt sie das Fläschchen mit dem leuchtenden Elixier etwas höher.
    Kriwa flatterte aufgeregt mit den Flügeln. »Siehst du das?«
    Fi nickte. Auch sie konnte das Tangnetz erkennen. Es hing vor ihnen im Wasser und war mit drei straff gespannten Strängen festgemacht.
    Fi schulterte den Bogen und watete ins Wasser, das glücklicherweise nicht tiefer als ein Tümpel war. Das salzige Nass stand ihr nur bis zum Bauch, als sie das Netz endlich erreichte. Rasch tastete sie es ab. Sie fühlte Arme und einen Kopf. Wen auch immer die Sirene hier gefangen hielt, das Opfer konnte ohne Atemluft nicht mehr am Leben sein.
    Unvermittelt zuckte der Körper.
    »Beim Traumlicht, da drin ist noch Leben!« Fi ließ die Flasche mit dem Zauberelixier ins Wasser fallen, zückte das Messer und durchtrennte die Stränge, die das Netz im Wasser hielten. Sie packte den Körper unter den Achseln und zog ihn aus dem glitschigen Gefängnis. Nasse, lange Haare fielen über Fis Unterarme. War das eine Frau? Die leuchtende Phiole, die neben ihr auf dem Wasser dümpelte, warf kaum genug Licht, um Einzelheiten zu erkennen.
    Endlich hatte Fi den Körper ans Ufer gezogen, während Kriwa die Phiole aus dem Wasser fischte und ihr zurückbrachte. Fi richtete sich auf und nahm der Möwe die Flasche ab. Sofort erkannte sie, dass sie einen jungen Mann vor sich hatte. Sein Oberkörper war überaus athletisch geformt. Das Gesicht mit dem energischen Kinn war von einem Gewirr langer Haarsträhnen
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