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Der silberne Traum - Die Chroniken der Nebelkriege ; 4

Der silberne Traum - Die Chroniken der Nebelkriege ; 4

Titel: Der silberne Traum - Die Chroniken der Nebelkriege ; 4
Autoren: Ravensburger
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Haltestrang ein und sah ungerührt dabei zu, wie das Tangbündel samt Inhalt in die Tiefe stürzte. Dem Aufschlag auf dem Boden folgte ein gedämpfter Schmerzensschrei.
    »Na, das klingt mir doch ganz nach Bootsmann Rob. Sieh das als Bestrafung dafür, dass du neulich im Ausguck eingeschlafen bist.«
    Im Innern des Netzes bewegte sich ein Körper und ein dumpfer Klagelaut war zu hören. Doch Koggs schwebte bereits zum nächsten Netz an der Höhlendecke.
    »Ist der immer so?«, wollte Fi wissen.
    »Frag nicht«, seufzte die Möwe. »Du solltest ihn mal erleben, wenn er nichts getrunken hat. Aber eins ist sicher: Koggs trägt das Herz am rechten Fleck.«
    »Na gut, dann schauen wir uns weiter um. Ich traue dem Frieden nicht.« Fi hob ihren Bogen und das Fläschchen mit dem leuchtenden Zauberelixier auf und wandte sich wieder den breiten Schleifspuren zu.
    Von der Grotte gingen zwei Tunnel ab, die noch tiefer in den Fels hineinreichten. Ein Tunnel führte schräg in die Tiefe, bis er gänzlich von Wasser bedeckt war. Doch die Schleifspur lief in den anderen Gang.
    Plötzlich glaubte Fi, in dem Stollen Gestalten zu sehen. In ihrem Kopf blitzten Bilder von ausgemergelten Elfen mit Spitzhacken in den Händen auf und für einen Moment hörte sie das Klatschen von Peitschen auf nackter Haut. Fi blinzelte erschrocken. Nein, in Wahrheit waren das nur die Tropfgeräusche aus der Grotte. Die trügerischen Schemen verblassten so unvermittelt, wie sie gekommen waren, und Fi schaffte es nicht, die Bilder noch einmal heraufzubeschwören.
    Gefasst folgte sie dem gewundenen Gang und hörte hinter sich Kriwas Flügelschlag. Der Tunnel war relativ hoch und gabelte sich noch einmal. Auch hier tropfte es unaufhörlich von den Wänden. Fi sah, dass sich das Wasser in der Schleifspur sammelte und den Gang hinabfloss. Fi und Kriwa folgten dem Wasserlauf, der sie schließlich zu einer ebenso dunklen wie feuchten Höhle führte, von der zwei weitere Tunnel abgingen. Der schreckliche Fäulnisgeruch war hier besonders ekelerregend.
    Fi blieb alarmiert stehen. An den Wänden der Höhle hafteten phosphoreszierende Algen, die ein gelbliches, irgendwie schmutzig wirkendes Licht verströmten. Besonders dicht war der Algenbewuchs um ein schwarzes Wasserloch in der Mitte der Höhle, das wie ein übergroßes Auge aus den Algen hervorstach. Überall auf dem Höhlenboden verstreut lagen abgenagte Fischgräten. Gab es dort eine Verbindung zum Meer?
    »Spürst du den Luftzug?«, wisperte Fi.
    Kriwa nickte. Offenbar hatte auch die Möwe den Wind bemerkt, der aus dem Gang zu ihrer Linken kam und den Gestank in der Höhle etwas erträglicher machte. Dort musste es einen weiteren Ausstieg aus dem Höhlenlabyrinth geben.
    Fi wandte sich gerade dem zugigen Stollen zu, als Bewegung in das Wasserloch kam. Das Wasser begann wie in einem Kochtopf zu brodeln, schwappte über den Felsenboden und schwemmte die Fischgräten fort. Rasch verbarg Fi das leuchtende Zauberelixier unter ihrer Weste, huschte zurück in den Gang, aus dem sie gekommen war, und presste sich eng an die Felswand. Nur einen Augenblick später fuhren Klauenhände aus dem Wasser und gebogene Krallen klammerten sich an den Rändern des Wasserlochs fest. Jetzt schob sich ein massiger Körper mit strähnigen, tropfnassen Haaren in die Höhle, bei dessen Anblick Fi der Atem stockte: die Sirene!
    Das Scheusal, halb Frau, halb Fisch, besaß einen schuppigen weißlichen, aufgeschwemmten Körper und war viel größer, als Fi angenommen hatte. Vom Kopf bis zur Schwanzflosse maß der glitschige Fischleib mindestens fünf Schritte. Hinzu kamen die überlangen, seltsam abgewinkelten Arme, mit denen sich die Sirene aus dem Wasserloch zog. Sie hob den Kopf und gab einen schnatternden Laut von sich, der an das Gurgeln ertrinkender Seeleute erinnerte. Unter den wirren Haaren zeichnete sich jetzt die Fratze einer menschlich anmutenden alten Frau ab, nur dass anstelle der Nase grässliche Kiemenspalten zu sehen waren. Am schrecklichsten jedoch war der Anblick des weit aufgerissenen Haifischmauls mit den langen, spitzen Reißzähnen, das sich von einem Ohr bis zum anderen zog. Eine lange Zunge leckte über Lippen und Zähne.
    »Komm!«, zischelte die Sirene, glotzte mit roten Augen in das Wasserloch und kicherte irre. »Komm zu Mutter! Mutter hat dich erwartet. Mutter wird sich um dich kümmern, so wie sie es versprochen hat.« Geifer lief aus ihrem Maul, sammelte sich zwischen den Brüsten und tropfte zu Boden. Sie
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