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Der silberne Traum - Die Chroniken der Nebelkriege ; 4

Der silberne Traum - Die Chroniken der Nebelkriege ; 4

Titel: Der silberne Traum - Die Chroniken der Nebelkriege ; 4
Autoren: Ravensburger
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leichtes Kribbeln in den Fingerspitzen. Magie! Sie wusste nur nicht, welchen Nutzen das Elixier hatte. Rasch griff sie zu einer zweiten Flasche. Darin schwappte eine grüne Tinktur. In einem dritten Fläschchen wallte dagegen ein eigentümlicher Nebel.
    »Und?«
    Fi hörte hinter sich ein aufgeregtes Flügelschlagen. Sie drehte sich um und präsentierte der Silbermöwe ihren Fund. Da sie die Wirkung der Elixiere nicht kannte, aber auch nicht alle Phiolen mitnehmen konnte, beließ sie es bei den drei Flaschen, verstaute sie unter der Weste und schloss den Deckel der Truhe.
    »Was ist mit der Sirene?«, fragte sie die Möwe.
    Kriwa ließ sich auf einem der Fässer nieder. »Ich konnte sie nirgends entdecken«, krächzte sie bedrückt. »Aber wir müssen trotzdem vorsichtig sein. Sie könnte überall lauern. Los, komm!« Die Möwe stieß sich ab und flatterte wieder der Luke entgegen.
    Fi schüttelte das Hemd auf und zog die Weste vor der Brust enger zusammen. So sollte man nicht mehr erkennen können, dass sie ein Mädchen war. Sie folgte der Möwe zu einer Leiter, doch als sie an der Stelle vorbeikam, an der sie erwacht war, blieb sie noch einmal stehen. Neben der Taurolle lag ein Bogen. Das war ihr Bogen! Und da lag auch ihr Köcher aus Hirschleder, in dem drei Pfeile steckten. Ob das ausreichte, um einer Sirene beizukommen? Sie hob den Bogen auf, griff nach dem Köcher und hängte ihn sich an den Gürtel.
    Rasch kletterte sie an der Leiter zur Luke hinauf und erreichte das Mitteldeck eines knapp zwanzig Schritte langen Segelschiffs, dessen Masten sich dunkel im blassen Mondlicht abzeichneten. Fi atmete die nach Pech und Holz riechende Seeluft ein. Segel und Takelage des Schiffs hingen von den Rahen wie die schlaffen Zweige einer Trauerweide. Weiter hinten konnte sie auf dem Heckkastell schwach ein verlassenes Steuerrad ausmachen und irgendwo weiter vorn rollte ein Gegenstand über die Planken, dem leise Trippelgeräusche folgten. Ratten!
    Es war nicht ungewöhnlich, dass auf einem Schiff dieser Größe Ratten hausten, doch Fi misstraute den Tieren. Sie galten auf Albion als Diener der Nebelkönigin, als ihre Augen und Ohren. Aus irgendeinem Grund wusste sie auch das.
    Abgesehen davon herrschte an Deck eine beängstigende Stille. Dabei strich beständig ein schwacher Wind über die Aufbauten, der einen eigentümlichen Nebel von der See mitbrachte. Grau und formlos krochen die Dunstschleier über das Schiff und umspielten sogar Fis Füße. Sie verzog das Gesicht. Sie spürte, nein, sie wusste, dass der Nebel keinen natürlichen Ursprung hatte. Er markierte das Herrschaftsgebiet Morgoyas.
    Fi machte ein paar vorsichtige Schritte und entdeckte verschiedene Gegenstände unter den grauen Schwaden: einen Eimer, mehrere Belegnägel, einen Schiffshobel, eine Matrosenmütze und ein Schnitzmesser samt Holzscheit. All die Dinge lagen an Deck verstreut, als hätten ihre Besitzer sie kurzerhand fallen lassen.
    »Nun komm schon!«, hörte Fi wieder die Stimme Kriwas. Die Möwe flatterte zur Steuerbordreling. Fi folgte ihr und sah, dass das Schiff in der Bucht eines schmalen Eilandes vor Anker lag, das wie ein Berg aus dem Meer aufragte. Die sandige Küste der Insel war von Klippen gesäumt, die im Mondlicht wie geballte Fäuste und aufgerissene Mäuler wirkten. Noch überragt wurden sie von einer scharfkantigen Felsformation, deren schroffe Graten und Spitzen an eine Burgruine erinnerten.
    Fi hielt den Bogen schussbereit und sprang mit elfischer Gewandtheit ins flache Wasser. Sie watete an Land und bahnte sich in geduckter Haltung langsam einen Weg zur Mitte der Insel, während sich Kriwa auf ihrer Schulter niederließ.
    »Wohin?«, flüsterte Fi.
    »Zum Eingang der Grotte«, kam es leise zurück. Die Möwe deutete mit dem Schnabel voraus. »Gleich da vorne.«
    Fi kniff die Augen zusammen und entdeckte etwa dreißig Schritte entfernt zwischen zwei hohen Felsen den Eingang zu einer Höhle. Kriwa erhob sich und flog voran. Fi behielt wachsam die Umgebung im Auge und steuerte weiter auf ihr Ziel zu. Nachdem sie die beiden Felsen passiert hatte, stieg ihr ein unerwartet heftiger Gestank nach fauligem Fisch in die Nase. Roch so die Bewohnerin der Grotte? Fi schüttelte sich angeekelt und stieg eine sandige Schräge hinab. Es wurde immer dunkler, bis sie trotz ihrer scharfen Elfensinne nichts mehr sehen konnte. Sie lauschte in die Finsternis und nahm Bogen und Pfeil in die linke Hand. Mit der Rechten fischte sie die Phiole, in der sich
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