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Der siebte Kreis des Wissens - Covenant 02

Der siebte Kreis des Wissens - Covenant 02

Titel: Der siebte Kreis des Wissens - Covenant 02
Autoren: Stephen R. Donaldson
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erschienenen sowie des neuen Romans, an dem er gerade arbeitete, als man seine Erkrankung feststellte. Dieser Traum enthielt die Wahrheit; er hatte beide Werke verbrannt. Als er wußte, daß er leprakrank war – sobald er erfuhr, daß Joan, seine Frau, sich von ihm hatte scheiden lassen und mit seinem kleinen Sohn, Roger, in ein anderes Bundesland gezogen war, nachdem er sechs Monate im Leprosorium verbracht hatte –, empfand er seine Bücher als so blind und selbstzufrieden, so selbstzerstörerisch, daß er sie verbrannte und das Schreiben aufgab. Nun jedoch, als er das Feuer im Traum sah, verspürte er erstmals den Gram und die Erschütterung, die es bedeutete, die Vernichtung des eigenen Werks mitanzusehen. Mit aufgerissenen Augen und schweißüberströmt fuhr er aus dem Schlummer hoch – und mußte erkennen, daß er noch immer das gierige Prasseln der Flammen hörte.
    Joans Ställe standen in Brand. Monatelang war er nicht in dem Bau gewesen, worin sie früher ihre Pferde untergestellt hatte, aber er wußte, daß es dort nichts gab, das eine Selbstentzündung des Feuers verursacht haben könnte. Vandalismus lag vor, ein Racheakt; das war es, was hinter all den Drohanrufen lauerte. Das trockene Holz brannte mit aller Heftigkeit, und die Flammen warfen sich hinauf in den Abgrund der Nacht. Und darin sah er Holzheim Hocherhaben in Flammen. In seiner Erinnerung roch er die verkohlten Leichen des Baumdorfs. Er fühlte sich Höhlenschrate töten, sie mit der unausdenklichen Kraft einäschern, die aus dem Weißgold seines Eherings schlug. Unmöglich! Er floh das Feuer, wich überstürzt zurück ins Haus und schaltete die Beleuchtung ein, als seien gewöhnliche elektrische Glühbirnen sein einziger Schutz gegen Irrwitz und Finsternis.
    Während er in Elendsstimmung durch die Sicherheit seines Wohnzimmers schritt, besann er sich darauf, was er erlebt hatte. Von der Haven Farm, wo er wohnte, war er in den Ort gegangen – Lepra! Ausgestoßener! Unrein! –, um seine Telefonrechnung zu bezahlen, persönlich zu bezahlen, als Selbstbehauptung seines normalen Menschseins gegen die Feindschaft, den Abscheu und die falsche Wohltätigkeit seiner Mitbürger. Unterwegs war er vor ein Polizeiauto gestürzt ... und in eine andere Welt geraten. Eine Welt, die nicht existieren konnte, die er jedoch keinesfalls, sollte sie trotzdem existieren, je hätte erreichen können: eine Welt, in der Leprakranke ihre Gesundheit wiederzuerlangen vermochten. ›Das Land‹, so nannte man sie schlicht. Und wegen seiner Ähnlichkeit mit Berek Halbhand, dem sagenumwobenen Lord-Zeuger, hatte man ihn wie einen Helden behandelt – deswegen und um seines Weißgoldrings willen. Aber er war kein Held. Er hatte den kleinen und den Ringfinger seiner rechten Hand verloren, doch nicht im Kampf, sondern durch einen chirurgischen Eingriff; infolge des Gangräns, das mit dem Auftreten seiner Erkrankung einherging, war ihre Amputation notwendig gewesen. Und der Ring war ihm von den Händen einer Frau angesteckt worden, die ihn nunmehr aufgrund seiner Lepraerkrankung verlassen hatte. Nichts hätte weniger wahr sein können als der Glaube, den man im Land von ihm hegte. Und weil er in eine falsche Position gedrängt worden war, hatte er sich einer ausgeklügelten Unaufrichtigkeit befleißigt, die ihn jetzt beinahe dazu brachte, sich zu winden. Mit Gewißheit hatte keiner jener Menschen seine Unversöhnlichkeit verdient gehabt. Nicht die Lords, die Wächter über Wohlergehen und Schönheit des Landes; nicht Salzherz Schaumfolger, der Riese, der sich zu ihm wie ein Freund verhalten hatte; nicht Atiaran, Trells Gemahlin, die ihn wohlbehalten nach Schwelgenstein geleitete, der Bergstadt, wo die Lords daheim waren; und ganz bestimmt, o nein, ganz gewiß nicht ihre Tochter Lena, die er vergewaltigt hatte! Lena! heulte er innerlich auf, ohne es verhindern zu können, patschte mit gefühllosen Fingern seine Seiten, während er hin- und herlatschte. Wie konnte ich dir das nur antun?! Doch er begriff mittlerweile, wie es dazu gekommen sein mußte. Die Genesung, die das Land ihm schenkte, hatte ihn überrascht. Nach Monaten der Impotenz und unterdrückten Wut war er auf diese plötzliche Aufwallung von Vitalität nicht gefaßt gewesen. Und aus dieser neuen Lebenskraft hatten sich weitere Konsequenzen ergeben. Sie hatte ihn zu einer bedingten Kooperation mit dem Land verführt, obwohl er sich darüber im klaren zu sein glaubte, daß unmöglich war, was ihm geschah, nur ein
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