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Der siebte Kreis des Wissens - Covenant 02

Der siebte Kreis des Wissens - Covenant 02

Titel: Der siebte Kreis des Wissens - Covenant 02
Autoren: Stephen R. Donaldson
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Gras und die Hügel hatten keinen Reiz, keine tiefe Schönheit. Sie konnten ihn an Andelain und den Geschmack der Aliantha bestenfalls entfernt erinnern.
    Danach fingen andere Erinnerungen an, ihn zu beunruhigen. Mehrere Tage lang wollte ihm die Frau, die im Kampf vor Holzheim Hocherhaben für ihn gefallen war, nicht aus den Gedanken weichen. Nie hatte er bloß ihren Namen gekannt, niemals bloß gefragt, warum sie sich überhaupt für ihn einsetzte. Sie war gewesen wie Atiaran, Schaumfolger und Lena: davon überzeugt, daß sie ein Recht darauf besaß, solche Opfer zu bringen. Wie Lena, an die er die Erinnerung kaum zu ertragen vermochte, beschämte diese Frau ihn; und mit der Scham kam Zorn – der altbekannte Zorn des Leprakranken, von dem so sehr sein Durchhaltevermögen abhing. Zur Hölle! schäumte er. Sie hatten kein Recht. Allesamt hatten sie kein Recht! Aber die Sinnlosigkeit seiner leidenschaftlichen Erbitterung kehrte sich gegen ihn, und er sah sich dazu genötigt, Selbstgespräche zu führen, als lese er sich den Katechismus seiner Krankheit vor. »Oberflächlichkeit ist die charakteristische Eigenschaft des Lebens ... Schmerz ist der Beweis des Seins ...« Im Außenseitertum seiner moralischen Vereinzelung fand er keine anderen Antworten.
    Bei derartigen Anlässen bereitete ihm die Lektüre psychologischer Studien bitteren Trost, für die man Personen von allen äußeren Einflüssen abgetrennt hatte, blind und taub, stumm und bewegungsunfähig gemacht, so daß sie die fürchterlichsten Wahnvorstellungen heimsuchten. Wenn normale Männer und Frauen bei vollem Bewußtsein so stark der Gnade ihres eigenen inneren Chaos unterworfen werden konnten, mochte ein verworfener Lepraleidender in besinnungslosem Zustand doch sicher einen Traum träumen, der schlimmer war als bloßes Chaos – einen Traum, der selbsttätig besonders darauf abgestellt worden war, ihn in den Wahnsinn zu treiben. Was ihm zugestoßen war, überstieg also sein Verständnis zumindest nicht völlig.
    Auf diese Art und Weise durchstand er die Tage nach der Brandstiftung nahezu drei Wochen lang. Bisweilen kam es ihm fast zu Bewußtsein, daß die ungelöste Spannung in seinem Innern sich staute und ihn einer Krise näherte; doch wiederholt verdrängte er diese Einsicht, verscheuchte verärgert den bloßen Gedanken. Er bezweifelte, daß er noch eine Belastungsprobe durchstehen könne; nur mit knapper Not war er beim ersten Mal davongekommen. Aber selbst die konzentrierte Säure seines Grolls erwies sich als zu schwach, um ihn auf unbegrenzte Dauer zu schützen. An einem Donnerstagmorgen, als er vor den Spiegel trat, um seine Rasur durchzuführen, brach die Krise urplötzlich akut aus, und seine Hände begannen so haltlos zu beben, daß er das Rasiermesser senken mußte, um nicht die Halsschlagader durchzuschneiden. Die Ereignisse im Lande waren noch unabgeschlossen. Indem sie den Stab des Gesetzes zurückgewannen, hatten die Lords lediglich genau das getan, was Lord Foul von ihnen getan haben wollte. Damit war nur der erste Schritt in Fouls Planung vollbracht, seiner Machenschaften, die ihren Anfang nahmen, als er Covenants Weißgoldring ins Land holte. Foul gedachte nicht zu ruhen, bis er auf jener ganzen Erde die Macht über Leben und Tod besaß. Und um sie zu erlangen, brauchte Foul die bizarre Magie des Weißgolds. Verzweifelt starrte Covenant sich im Spiegel an, darum bemüht, seine eigene Wirklichkeit in den Griff zu bekommen. Aber er erblickte in seinen Augen nichts, das sich zu seiner Verteidigung geeignet hätte. Er war einmal betrogen worden. Das konnte ihm ein zweites Mal passieren. »Ein zweites Mal?!« schrie er mit einer Stimme auf, die so hoffnungslos klang wie das Weinen eines verlassenen Kindes. Ein zweites Mal? Er vermochte nicht zu meistern, was im ersten Wahnerlebnis mit ihm geschehen war; wie sollte er da ein zweites Mal einen solchen Wahnsinn durchstehen können? Er stand kurz davor, die Ärzte im Leprosorium anzurufen – sie anzurufen und um eine irgendwie geartete Hilfe anzuflehen! –, da errang er ein bißchen von seiner Leprakrankenunnachgiebigkeit wieder. Er hätte nicht so lange überleben können, wäre nicht irgendwo in ihm irgendeine fundamentale Kapazität zum Abwenden der endgültigen Niederlage vorhanden gewesen, vermochte er auch nicht jederzeit die Verzweiflung abzuwehren, und diese Kapazität hielt ihn nun zurück. Was sollte ich ihnen erzählen , schalt er sich aus, was sie mir glauben könnten? Ich glaube
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