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Der siebte Kreis des Wissens - Covenant 02

Der siebte Kreis des Wissens - Covenant 02

Titel: Der siebte Kreis des Wissens - Covenant 02
Autoren: Stephen R. Donaldson
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ja selbst nicht daran. Die Bewohner des Landes hatten ihn den Zweifler genannt. Jetzt sah er ein, daß er seinem Beinamen Ehre machen mußte, ob das Land nun wirklich existierte oder nicht. Und im Verlauf der beiden nächsten Tage trachtete er mit einem Grimm danach, seinem Ehrennamen gerecht zu werden, der wahrhaftiger Gewaltsamkeit so nahe wie nur denkbar kam. Nur auf einen Kompromiß ließ er sich ein: Weil seine Hände so schlimm zitterten, verwendete er einen elektrischen Rasierapparat, schabte damit roh über das Gesicht, als wolle er die Gesichtszüge umformen. Darüber hinaus erkannte er nichts an. In den Nächten flatterte das Herz in seiner Brust so spürbar, daß er nicht zum Schlafen imstande war; doch er biß die Zähne zusammen und kam ohne Schlaf aus. Zwischen seinem Ich und der Irreführung errichtete er einen Wall aus DDS und VBG, und sobald der Trug seine Abwehr zu durchbrechen drohte, vertrieb er ihn jedesmal mit Flüchen. Aber als der Samstagmorgen heraufdämmerte, befand er sich noch immer nicht dazu in der Lage, die Drohung zum Schweigen zu bringen, die seine Hände beben machte.
    Daraufhin entschied er sich endlich dafür, erneut das Risiko einzugehen und sich unter seine Mitmenschen zu begeben. Er benötigte ihre Wirklichkeit, ihre Bekräftigung der Realität, die er verstand, sogar ihren Widerwillen gegen seine Krankheit. Er wußte kein anderes Gegenmittel zur Bekämpfung des Betrugs; er konnte sich seinem Dilemma nicht länger allein stellen.

2
     

Halbhand
     
     
    Doch diese Entscheidung traf er ebenfalls voller Furcht, und erst am Abend brachte er es über sich, auch danach zu handeln. Während der meisten Zeit des Tages säuberte er das Haus, als rechne er nicht damit, noch einmal wiederzukehren. Am späten Nachmittag rasierte er sich dann mit dem Elektrorasierer und duschte ausgiebig. Umsichtig stieg er in eine widerstandsfähige Jeans und schnürte seine Füße in schwere Stiefel ein; über sein T-Shirt zog er jedoch ein Frackhemd, einen Schlips und einen Sportsakko, damit niemand ihm die Zwanglosigkeit von Jeans und Stiefeln ankreiden könne. Seine Brieftasche – gewöhnlich so nutzlos für ihn, daß er sie nie mittrug – steckte er diesmal in die Sakkotasche. Und in eine Hosentasche schob er ein kleines, scharfes Taschenmesser – das Messer, das er gewohnheitsmäßig mitnahm, um für den Fall, daß ihm die Gewalt über seine Selbsterhaltungs-Konzentration entglitt, etwas dabei zu haben, das ihm half, sich wieder zusammenzureißen. Dann schritt er über die lange Zufahrt zur Straße, als die Sonne sank, und streckte dort seinen Daumen aus, um von jemandem in die dem Ort entgegengesetzte Richtung mitgenommen zu werden. Die nächste Örtlichkeit entlang der Straße lag in dieser Richtung rund fünfzehn Kilometer von der Haven Farm entfernt, und sie war größer als das Kaff, wo sich der Unfall ereignet hatte. Dorthin wollte er, weil dort die Wahrscheinlichkeit geringer war, daß irgend jemand ihn erkannte. Sein erstes Problem bestand jedoch darin, unbehelligt befördert zu werden. Falls einer der örtlichen Autobesitzer ihn sah, steckte er bereits am Anfang in Schwierigkeiten.
    Innerhalb der ersten paar Minuten fuhren drei Autos vorbei, ohne zu halten. Die Insassen gafften ihn im Vorüberrauschen an, als wäre er irgendeine Art bescheuerter Freak, aber keiner dieser Fahrer verminderte das Tempo. Dann kam, als das letzte Sonnenlicht in der Dämmerung versackte, ein großer Lastwagen heran. Covenant hob den Daumen, und der Laster hielt knapp hinter ihm unterm lauten Fauchen von Luftdruckbremsen. Er erklomm die Tür, und der Fahrer winkte ihn in die Kabine. Der Mann kaute auf einer dicken, schwarzen, zum Großteil abgebrannten Zigarre, und die Luft im Innern der Fahrerkabine war dick von Qualm. Durch den trägen Dunst sah Covenant, daß der Mann, groß und klobig, einen Bierbauch besaß; ein muskulöser Arm bewegte sich über das Lenkrad wie ein Kolben und lenkte den LKW mit Leichtigkeit. Er hatte nur diesen einen Arm; der rechte Ärmel war leer und mit einer Sicherheitsnadel an der Schulter befestigt. Covenant kannte sich mit Verstümmelungen aus und empfand eine Regung von Mitgefühl für den LKW-Fahrer. »Wohin, Kumpel?« erkundigte der hochgewachsene Mann sich freundlich. Covenant nannte sein Ziel. »Kein Problem«, antwortete der Fahrer auf die andeutungsweise Frage in Covenants Tonfall. »Dort muß ich sowieso durch.« Während die automatische Gangschaltung durch die Gänge
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