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Der Semmelkoenig

Der Semmelkoenig

Titel: Der Semmelkoenig
Autoren: Katja Hirschel
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dass sie nicht aus Versehen in Ihre Zigarette beißen, oder am Schnittchen ziehen!«
    »Keine Sorge, das bekomm ich schon hin!«, erwiderte Doktor Frank und steckte sich den Rest des Sandwiches ganz in den Mund, griff in die Manteltasche, zog das Feuerzeug hervor und überreichte es kauend dem Grillmeister.
    »Übrigens«, schmatzte der Arzt. »Ich habe gute Neuigkeiten wegen unserer Kriegsverletzten. Der Detektiv hat eine offizielle Beschwerde gegen eine unserer Krankenschwestern eingereicht und kann morgen entlassen werden. Wolfgang Wiesholz Schlüsselbein muss halt heilen, aber ich glaub, der hat mit Erika Noller eine bessere Pflegerin abbekommen, also hier keine Beschwerden. Dem Herrn Lukasz Młynarz geht’s auch ganz gut. Der hatte nur eine Platzwunde wie unser Schnabelhuber. Tja, ich würd sagen, von meiner Seite aus alles unter Kontrolle.«
    »Das is schön zu hören.«
    Maus tat so, als ob er sich jetzt auf das Anzünden konzentrieren würde, doch er wusste, was Frank mit dieser Einleitung eigentlich von ihm wollte. Eine Antwort, eine Erklärung, einen plausiblen Grund, warum es heute Nacht so hatte enden müssen.

198
    Herr Schneider war jetzt auf die Terrasse getreten und blickte besorgt zum Nachbargarten hinüber, in dem sich immer mehr Menschen lachend und plaudernd versammelten.
    »Glaabst, dass des schlescht is?«, fragte seine neue Assistentin.
    »Hm, ich weiß nicht so recht, Klara!«, kam die nachdenkliche Antwort.
    »Ei, isch haaß doch Claire. Des musste schon a biss’sche französischer ausspresche«, maulte sie etwas beleidigt, besann sich dann aber gleich eines Besseren, zupfte ihren Ausschnitt zurecht, ging um den schön dekorierten Tisch herum und stellte sich neben ihn.
    »Die habbe da abba mordsviel Spaß, gell? Glaabst, des is für unser G’schäft ned so gut?«
    »Tja, das bleibt abzuwarten. Es kann natürlich sein, dass sich jetzt einige Käufer denken, hier wären immer laute Partys, was natürlich schlecht ist. Oder aber sie finden es schön, dass es hier so nette Nachbarn gibt. Ich kann es dir halt noch nicht sagen, denn in so einer Situation war ich noch nie.«
    Er war sichtlich nervös, klammerte sich an den Gedanken »nette Nachbarn«, hoffte, dass dadurch der Preis stieg und nicht fiel, war kurz davor, überzeugt zu sein und entdeckte dann eine große Gans, die durch das Gebüsch von nebenan gekommen sein musste, jetzt auf dem Rasen stand, den Hals streckte und ihn herausfordernd ansah.

199
    Das Feuer brannte. Maus fächelte mit einer Zeitung über die glühenden Kohlen, nahm aber dann dankbar den Blasebalg entgegen, der ihm von Frank gereicht wurde.
    »Wissen Sie«, sagte er und drückte auf den Balg. »Ich möchte immer gern verstehen, warum Menschen so handeln, wie diese bedauernswerte Frau Lörtek gestern.«
    »Ganz meiner Meinung, Maus. Ganz meiner Meinung. Bei ihr muss irgendetwas den Auslöser gegeben haben. Ich tippe mal auf einen seelischen Schock, eine Situation, mit der diese so rational denkende Frau nicht mehr umgehen konnte, die sie dazu veranlasst hat, nur noch wild um sich zu schlagen, zu morden.«
    »Ja, genau! Ich seh das auch so. In ihrem Falle dürfte das Heidis Tod gewesen sein. Die beiden waren sich doch näher als sie selbst gedacht haben. Heidi war vom Typ her wie ihre Tante. Ordentlich, auf ihre Weise sogar organisiert und, mit der Zeit, wären die beiden ein sehr gutes Team geworden. Hm, und als das Mädchen dann tot war, konnte Frau Lörtek nicht anders, sie musste sich wehren, irgendwie die Ungerechtigkeit aus der Welt schaffen, ein neues Gleichgewicht herstellen. Dass sich da ihr Hass in erster Linie auf Möller konzentrierte, war selbstverständlich.«
    »Warum?«, fragte der Arzt provokativ.
    »Na, sie hatte ja nicht wissen können, dass Georg das Mädchen umgebracht hat. Für sie gab es nur einen, der Schuld an allem war: der Semmelkönig! Ich denke, da haben sich schon seit geraumer Zeit äußerst negative Gefühle aufgebaut. Also, die Erpressung war natürlich eine Sache, und als der schöne Plan durch Möllers Sturheit zu scheitern drohte, könnte man hier einen weiteren Grund für ihre Kurzschlussreaktion sehen. Die angestauten Aggressionen konnten endlich ausbrechen. Sie hatte ihn satt, war seine Einmischung in ihre Erziehungsmethoden leid, wollte ihn loswerden, endlich wieder frei sein. Mehr noch, sie war sogar dazu bereit, die Gans mit den goldenen Eiern zu schlachten!«
    »Aber irgendwie ist das doch dumm, oder?«, bemerkte Doktor Frank
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