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Der seltsame Mr Quin

Der seltsame Mr Quin

Titel: Der seltsame Mr Quin
Autoren: Agatha Christie
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sich nicht getäuscht hatte. Es waren John Denman und Molly Stanwell. Er hörte Denman mit rauer, ärgerlicher Stimme sagen: »Ich kann nicht ohne dich leben! Was sollen wir nur tun?«
    Mr Sattersway wollte sich gerade abwenden, als er eine Hand auf seinem Arm spürte. Noch jemand hatte die Szene beobachtet.
    Ein Blick in ihr Gesicht genügte Mr Sattersway, um zu erkennen, wie sehr er sich in seinen Vermutungen getäuscht hatte.
    Ihre zornige Hand hielt ihn fest, bis das Paar die Straße hinuntergegangen und ihren Blicken entschwunden war. Er hörte sich unsinnige Dinge sagen, die sie trösten sollten und angesichts ihrer Qual ausgesprochen lächerlich waren.
    »Bitte«, sagte sie, »lassen Sie mich nicht allein!«
    Er fand ihre Bitte seltsam rührend. Schließlich war er doch einmal zu etwas nütze! Er redete weiter sinnloses Zeug, weil alles besser war, als zu schweigen, und sie schritten die Straße hinunter, auf das Haus der Roscheimers zu. Manchmal verkrampfte sich ihre Hand auf seinem Arm, und er begriff, dass sie über seine Gegenwart froh war. Erst als sie vor dem Haus standen, ließ sie ihn los.
    »Jetzt werde ich tanzen«, sagte sie mit energisch vorgerecktem Kinn. »Keine Sorge, mein Freund. Ich werde gut tanzen.«
    Mit diesen Worten ließ sie Mr Sattersway stehen. Lady Roscheimer, mit Diamanten behängt und voller Klagen über den Unfall, nahm ihn unter ihre Fittiche und reichte ihn dann an Claude Wickam weiter.
    »Ich bin ruiniert!«, sagte Wickam. »Völlig am Ende. So etwas passiert mir ständig. Diese Bauerntrampel glauben, sie könnten tanzen! Ich wurde nicht einmal gefragt…«
    Er redete und redete und schien nicht mehr aufhören zu wollen. Endlich hatte er einen verständnisvollen Zuhörer gefunden, einen Fachmann. Er schwelgte in Selbstmitleid und hörte erst auf, als die Musik begann.
    Mr Sattersway tauchte aus seiner Benommenheit auf. Der Kritiker in ihm erwachte. Wickam war ein unglaublicher Idiot, doch von Musik verstand er etwas. Die Melodien waren leicht wie Spinnweben, nie sentimental oder verlogen.
    Das Bühnenbild war beeindruckend. Lady Roscheimer sparte nie, wenn es um einen ihrer Schützlinge ging. Eine verträumte Waldwiese mit geschickten Lichteffekten, die die passende Atmosphäre von Unwirklichkeit schufen.
    Zwei Gestalten tanzten, als hätten sie seit endloser Zeit so getanzt. Ein schlanker Harlekin mit Zauberstab und Maske und eine weiße Kolombine, die Pirouetten drehte wie in einem ewigen Traum… Mr Sattersway richtete sich auf. Ja, das hatte er schon einmal erlebt. Ganz sicher…
    Im Geist war er jetzt weit von Lady Roscheimers Salon entfernt. Er stand in einem Berliner Museum und betrachtete die kleine Statue einer unsterblichen Tänzerin.
    Harlekin und Kolombine tanzten weiter. Die ganze Welt schien ihnen zu gehören.
    Eine menschlichere Gestalt tauchte auf, Pierrot, der durch den Wald wanderte und sang. Er hatte Kolombine gesehen und kannte keine Ruhe mehr. Das unsterbliche Paar verschwand, doch Kolombine blickte noch einmal zurück. Sie hatte ein Lied gehört, das aus einem menschlichen Herzen kam.
    Dann der Dorfanger – tanzende Mädchen – Pierrots und Pierrettes. Auch Molly war darunter. Sie war keine gute Tänzerin, da hatte Mrs Denman Recht gehabt, doch ihre Stimme war reizend.
    Die Mädchen bitten Pierrot, mit ihnen zu tanzen, doch er weigert sich. Mit weißem Gesicht läuft er weiter – der ewig Liebende auf der Suche nach seinem Ideal. Es wird Abend, und Pierrot schläft erschöpft im Gras ein. Harlekin und Kolombine umtanzen ihn. Er erwacht und sieht sie. Er fleht sie an, bittet sie…
    Sie ist unsicher. Harlekin winkt ihr, sie sieht ihn nicht mehr. Sie lauscht auf Pierrots Liebeslied, sie sinkt ihm in die Arme, und der Vorhang fällt.
    Der zweite Akt spielt in Pierrots Hütte. Kolombine sitzt am Feuer, sie ist blass, bedrückt. Sie lauscht – auf was? Pierrot singt für sie, der Abend senkt sich herab, und Donner grollt. Kolombine wird unruhig, sie hört nicht mehr, was Pierrot singt. Ihre eigene Melodie erklingt, die Melodie von Harlekin und Kolombine. Und sie erinnert sich.
    Ein Donner kracht. Harlekin steht in der Tür. Pierrot kann ihn nicht sehen, aber Kolombine springt mit einem glücklichen Lachen auf. Es donnert wieder, die Wände verschwinden, und Kolombine tanzt mit Harlekin in die stürmische Nacht hinaus.
    Dunkelheit, und auch das Lied, das Pierrette singt, ist traurig. Das Licht geht langsam an. Wieder sieht man die Hütte. Jetzt sind Pierrot
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