Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Selbstversorger (Einzeltitel) (German Edition)

Der Selbstversorger (Einzeltitel) (German Edition)

Titel: Der Selbstversorger (Einzeltitel) (German Edition)
Autoren: Wolf-Dieter Storl
Vom Netzwerk:
Knöpfe drücken muss; bis zum Jahr 2000 würden, dank der Antibiotika, alle Krankheiten ausgerottet sein und sich alle Menschen bester Gesundheit erfreuen; dank der Kernkraft würde es dann Energie in Hülle und Fülle geben. Ich war mir bei alldem nicht so sicher.

    „Was von meinen Jugenderfahrungen blieb, war die innere Überzeugung, dass man, wenn man naturnahe lebt, auch die schwierigsten Zeiten überstehen kann.“
    Es war niemand da, der mir das, was ich wissen wollte, beibringen konnte, und die heute so beliebten Survival-Kurse gab es damals nicht; sie hätten auch niemanden interessiert. Zum Glück besaß ich ein Pfadfinderhandbuch. Da standen einige Wildpflanzen drin, die man essen könne, wenn man sich in der Wildnis verläuft; auch wie man ohne Streichhölzer Feuer macht oder wie man praktische Knoten knüpft, erfuhr ich aus diesem Buch. Den Teil über essbare Wildpflanzen habe ich praktisch auswendig gelernt.
    Manchmal begleiteten mich meine besten Freunde auf den Streifzügen im Wald. Es war die Zeit kurz nach dem Koreakrieg. In der Schule und in den Medien wurde ständig von der „gelben Gefahr“ gesprochen. In China hatte Mao Tse-tung den Sieg davongetragen und das kommunistisch gewordene, bevölkerungsreiche Land wurde allgemein als Bedrohung empfunden, gegen die der Westen gerüstet sein müsse. Das hat unsere Fantasie beflügelt. Ich überzeugte meine Freunde, eine Partisanentruppe – das Wort Guerilla gab es noch nicht – aufzustellen, falls die Rotchinesen Amerika angreifen und das Land besetzen würden. Wir begannen für den Widerstand zu trainieren: Dazu gehörten schwierige Kletterübungen, Nachtmärsche, mit den über dem Kopf gehaltenen Luftgewehren durch Sümpfe und Flüsse zu waten, unter Zäunen durchzurobben, Sprit von den Farmmaschinen zu klauen, um Molotow-Cocktails daraus zu basteln und diese dann an Brücken und leer stehenden Gebäuden auszuprobieren, Einbrüche ins Schulgebäude und die Beschlagnahme von Nahrungsmitteln aus dem Hauswirtschaftsbereich, wo die Mädchen Kochen, Backen und Haushalten lernten.
    Auf Beutefang
    Einmal überfielen wir ein Pfadfinderlager auf einem Hügel in der Nähe. Drei von uns Jungen schreckten die im Tal weidende Rinderherde auf, sodass diese laut brüllend in Panik davonstürmte. Die Pfadfinder wurden neugierig und verließen samt ihrem Führer den Zeltplatz, um zu sehen, was los war. Derweil schlichen mein bester Freund Jim und ich ins Lager der „Feinde“, machten die Zelte platt, gossen ihre Wasservorräte im Lagerfeuer aus, füllten unsere Rucksäcke mit ihren Vorräten und machten uns aus dem Staub. Den Pfadfindern blieb nichts anderes übrig, als das Lager zu verlassen. Wir feierten unseren Sieg mit einem üppigen Schmaus aus erbeuteten Fressalien.
    Aus den Feldern klauten wir den milchreifen Mais und kochten ihn in unserem Camping-Geschirr mit allen möglichen Wurzeln und Grünzeug. Ab und zu holten wir uns nachts ein Huhn aus dem Hühnerstall eines Farmers und grillten es am Lagerfeuer: Es duftete immer herrlich, war aber meistens zäh wie Leder. Hühnerklauen war gefährlich: Wenn man nicht schnell genug zupackte, gab es einen Riesenradau, dann bellten die Hofhunde und der Farmer kam mit der Schrotflinte herausgestürmt. Die war für solche Fälle meistens mit Steinsalz geladen. Enten zu fangen war auch nicht einfach: Wenn sie merkten, dass wir anschlichen, schwammen sie schnatternd auf die andere Teichseite. Beim Angeln hatten wir mehr Glück. Die am Lagerfeuer gegrillten Fische waren lecker. Trotzdem angelte ich nicht gerne, da mir die Fische ebenso leidtaten wie die am Haken aufgespießten Regenwürmer.
    Im Ganzen lebten wir ein richtig freies Tom-Sawyer-und-Huckleberry-Finn-Leben. Es machte Spaß und uns ging es dabei so gut, dass wir glaubten, eigentlich könnten wir auch ohne die lästigen Eltern überleben. Heute wären unsere Streiche wohl unter die Rubrik „Jugendkriminalität“ gefallen oder sie hätten zumindest zur Folge gehabt, dass dem einen oder anderen von uns Ritalin verordnet worden wäre. Was von diesen Jugenderfahrungen blieb, war die innere Überzeugung, dass man, wenn man naturnah lebt, auch die schwierigsten Zeiten überstehen kann.

    Rote, sonnengereifte Johannisbeeren frisch vom Strauch – wie köstlich! Doch wie viele Kinder lernen solche Genüsse heute noch kennen, wo Obst und Gemüse in Plastik verpackt aus dem Supermarkt kommen?
    Erkenntnisse der Ethnologie
    Jahre später studierte ich Völkerkunde und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher