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Der Selbstversorger (Einzeltitel) (German Edition)

Der Selbstversorger (Einzeltitel) (German Edition)

Titel: Der Selbstversorger (Einzeltitel) (German Edition)
Autoren: Wolf-Dieter Storl
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die Suche schwierig. An einem College in Oregon hatte ich Glück: Infolge eines Erleuchtungserlebnisses hatte der dortige Anthropologe von einem Tag auf den anderen seine Stelle gekündigt. Er wurde zuletzt gesehen, als er, ein hölzernes Kreuz tragend, barfuß in Richtung Kalifornien lief. In meiner neuen Stelle war ich in den ersten zwei Jahren zwar wie in einer Vollzeit-Stelle mit Vorlesungen beschäftigt, wurde aber nur als Teilzeit-Mitarbeiter bezahlt – ich verdiente zu wenig zum Leben und zu viel zum Sterben.
    Gartenabenteuer in Oregon
    Wir wohnten in einem umgebauten Hühnerstall, heizten notdürftig mit selbst gesammeltem Holz, ein umfunktioniertes Ölfass diente als Ofen, und unsere kargen Mahlzeiten ergänzten wir mit Wildgemüse und Wurzeln. Den Rasen hinter der Hütte gruben wir um und säten schnell wachsendes Blattgemüse ein – Spinat, Gartenmelde und Senf. Ehe anderes Gemüse reifte, war das Teil der täglichen Mahlzeit. Da lernte ich, dass es nicht unbedingt gesund ist, jeden Tag Spinat und Melde zu essen. Die Zähne wurden glasig und löchrig, denn die Oxalsäure raubt ihnen den notwendigen Kalk. Auch die Nieren schmerzten, denn die Kristalle der Oxalsäure reizen das Nierengewebe.
    Neben meinen Seminaren als Soziologe und Anthropologe unterrichtete ich samstags biologisches Gärtnern. Der Kurs war überfüllt und ein Dauerbrenner, sodass uns das College ein Versuchsfeld zur Verfügung stellte. Aus den Vorlesungsnotizen wurde ein Lehrbuch mit dem Titel Culture and Horticulture , das später zum Underground-Bestseller wurde.

    Die Karde heilt nach meinen Erfahrungen sogar Borreliose. Ich hatte mir diese Krankheit vor einigen Jahren durch einen Zeckenbiss eingehandelt und ohne Antibiotika durch selbst gemachte Kardenwurzeltinktur kuriert.
    Nächste Station: Emmental
    Die Ölkrise, die erste Energiekrise, brachte uns wieder in die Schweiz. Dort lebten wir auf einem Bauernhof im Emmental, wo die Kühe noch von Hand gemolken und von einem hofeigenen Bullen begattet wurden, wo der Getreideacker mit Pferden gepflügt und geeggt wurde, wo das Gras an den steilen Hängen mit Sensen geschnitten wurde, wo Käserei, frei laufende Hühner, Gemüsegarten und Getreidemühle noch eine ganzjährige Lebensmittelversorgung vom eigenen Hof ermöglichten und wo im November mithilfe der Pferde Bau- und Brennholz aus dem Wald geholt wurden. Das klingt zwar romantisch, aber es war härteste Arbeit. Wieso sind wir wegen der Energiekrise gerade dort hingegangen? Weil durch den Energieengpass offensichtlich wurde, dass die industrialisierte Landwirtschaft Amerikas zwar riesige Nahrungsmittelüberschüsse produzierte, aber nur dank eines extrem hohen Energieverbrauchs. Für jede gewonnene Nahrungsmittel-Kilokalorie mussten zehn bis fünfzehn Kilokalorien für Treibstoff, Herbizide, Fungizide und Pestizide ausgegeben werden. Das damalige China zum Beispiel wies ein wesentlich besseres Energieverhältnis auf. Die dortige Anbauweise war zwar sehr arbeitsintensiv, aber für jede verbrauchte Kilokalorie wurden zweieinhalb Kilokalorien gewonnen. Was uns interessierte, war der Vergleich mit der traditionellen mitteleuropäischen Landwirtschaft. Fazit: Die Energiebilanz sah recht gut aus.
    Indien – Ostfriesland – Allgäu
    In den folgenden Jahren beschäftigte ich mich mit der Kulturökologie der Prärieindianer und der indischen Bauern. Davon habe ich aber an anderer Stelle schon erzählt. In Indien veränderte sich mein Leben. Am Ufer des Ganges riss mich eine Krankheit aus meinem Selbstverständnis und konfrontierte mich mit dem tieferen Sinn des Daseins. Damals entschied ich mich, weniger dem berechnenden Ego zu folgen als der inneren Stimme, der „Stimme des Herzens“ – mich also von der „geistigen Führung“ leiten zu lassen. Diese ist, wie mir schon Arthur Hermes gesagt hatte, weiser als der Verstand. Nachdem ich genesen war, sagte mir diese „Stimme“, wir sollten nach Europa gehen, nach Deutschland.
    Und so kam es, dass wir mit zwei Rucksäcken auf dem Rücken und praktisch ohne Einkommen – abgesehen von mageren Tantiemen für ein paar Artikel, die ich verfasst hatte – im ostfriesischen Moor landeten.
    An diesem Punkt nun fängt die Geschichte an, die ich in diesem Buch erzähle – im Rückblick, eine echte survival story . Zufällig lernte ich den Kunstmaler Manfred Scharpf kennen und dieser sagte unvermittelt, er wisse, wo wir leben sollten: im Allgäu, auf einem abgelegenen Einödhof auf knapp 1000
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