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Der Selbstversorger (Einzeltitel) (German Edition)

Der Selbstversorger (Einzeltitel) (German Edition)

Titel: Der Selbstversorger (Einzeltitel) (German Edition)
Autoren: Wolf-Dieter Storl
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Metern Höhe. Ich glaubte ihm.



Neuanfang
    Für 300 Mark verkaufte uns ein Junge einen alten, verrosteten Ford Transit. Wir packten unsere Habseligkeiten und machten uns von Ostfriesland aus, wo wir zuerst gelandet waren, auf den Weg in den Süden. Das Fenster auf der Fahrerseite war zwar kaputt – es ließ sich nicht mehr hochkurbeln – aber das rettete uns wohl das Leben, denn die Auspuffgase drangen durch die Rostlöcher im Boden und wir wären wahrscheinlich vergiftet worden. Zwei Tage deutsche Autobahn mit einem Fahrzeug, das höchstens 100 Stundenkilometer schafft, ist eine harte Geduldsprobe, insbesondere, wenn man aus einer anderen Kultur kommt. Eingeklemmt zwischen LKWs oder bedrängt von lichthupenden BMWs oder Mercedes auf der Überholspur, fuhren wir Richtung Alpen.

Ankunft in der Wildnis
    Das Haus, umgeben von Hochweide und Fichtenwald, stand leer, als wir ankamen. Uralt war es und düster. Eine alte, halb verhungerte schwarze Katze begrüßte uns. Das nächste Dorf war etwas über vier Kilometer entfernt, der nächste Nachbar ungefähr zwei Kilometer. Es war schon November, zum Glück hatte es noch nicht geschneit, was im Allgäu keine Selbstverständlichkeit ist. Und zum Glück hatte unser Vorgänger noch Holz dagelassen, so konnten wir mit dem alten Küchenherd kochen und heizen. Nun galt es so schnell wie möglich Vorräte für den bevorstehenden Winter zu beschaffen. Zu allem Überfluss hatte uns ein Freund erklärt, dass der Ford Transit nur noch eine Woche TÜV hätte, dann dürften wir nicht mehr fahren. Außerdem seien die Reifen völlig abgefahren und so glatt, dass wir uns damit nicht erwischen lassen dürften. Woher sollten wir so etwas wissen? In Amerika kannte man damals keinen TÜV.
    Im Raiffeisen-Lagerhaus am Rand der nächsten Stadt fanden wir, was wir brauchten: Strohballen – das sollte unser Bett werden, das Nest für meine Frau, unseren kleinen Sohn und für mich; einige Säcke voll Getreide, Roggen und Weizen zum Brotbacken; Gerste, um chang – das Hausbier, das wir in Tibet kennengelernt hatten – zu brauen; Kisten voller Möhren, Kartoffeln und Kohl zum Lagern im Keller; und schließlich Säcke mit Bohnen, Linsen und Trockenerbsen. Für Schinken und Trockenfleisch reichte das Geld leider nicht.
    Aber einen Sack Milchpulver brauchten wir unbedingt noch. Wir kannten das aus Oregon, wo die Landhippies, wenn sie keine Kühe oder Ziegen hatten, Trockenmilch bei Bedarf mit Wasser verrührten. Da wir einen Säugling dabei- hatten, dachten wir, ein solcher Milchvorrat wäre eine gute Idee. Wir wunderten uns nur, dass der Lagerhausangestellte noch mit verschmitztem Lächeln kommentierte: „Passt nur auf, dass ihr nicht zu dick werdet!“
    Anton, der Jäger, der manchmal am Einödhof vorbeikam, löste das Rätsel der vermeintlichen Trockenmilch. Es sei Milchsurrogat für die Kälbermast, ein Gemisch mit hormonartigen Zusätzen, die eine schnelle Gewichtszunahme garantieren. Er brachte den Sack zurück und bekam auch das Geld erstattet.
    Ora et labora
    Kaum hatten wir die notwendigsten Besorgungen gemacht, da war es auch mit dem Fahrzeug-TÜV aus. Das Fahren wäre inzwischen aber sowieso unmöglich gewesen, denn im Winter liegt der Schnee mindestens anderthalb Meter hoch, und auch mit Schneeketten hätten wir es auf der teilweise steilen, kurvenreichen Schotterpiste nicht geschafft. Und den Sprit hätten wir sowieso kaum bezahlen können. In den folgenden Jahren benutzten wir den unangemeldeten Kleinbus jedoch, um Holz für den Winter aus dem Wald zu holen.
    Das im Dreißigjährigen Krieg gebaute Haus war Teil eines Benediktinerklosters gewesen. Ora et labora, „Bete und arbeite!“ hieß der Leitspruch dieser in schwarze Kutten gehüllten Mönche. Der passte genau zu unserer Lage. Tagsüber war ich unermüdlich am Holzhacken und Zersägen von altem Holz, das in unmittelbarer Nähe des Hauses im Wald herumlag. Eine Axt und eine Schwedensäge waren alles, was ich hatte. Eine Motorsäge wäre unerschwinglich gewesen. Mit diesen Werkzeugen zimmerte ich auch unsere ersten Möbel: Tische, Regale und Hocker. In der Scheune lagen jede Menge alter Bretter herum, die ich zu diesem Zweck verwenden konnte. Mit dem Klauenhammer, den ich dort gefunden hatte, zog ich die krummen, rostigen Nägel aus den Brettern, hämmerte sie gerade und benutzte sie zur Herstellung unserer ersten Einrichtung.
    Auch meine Frau war die ganze Zeit beschäftigt. Sie versorgte unser kleines Wickelkind, backte Brot,
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