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Der Selbstversorger (Einzeltitel) (German Edition)

Der Selbstversorger (Einzeltitel) (German Edition)

Titel: Der Selbstversorger (Einzeltitel) (German Edition)
Autoren: Wolf-Dieter Storl
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hätte rote Beeren gegessen. Da man befürchtete, sie seien giftig, hatte man den Kleinen in die Notaufnahme gebracht und ihm den Magen ausgepumpt. Ob ich vielleicht wisse, welche Pflanze das sein könnte?
    „Hatten die Beeren eine blass lachsrote Farbe? Und waren sie nicht sehr saftig, sondern eher trocken und mehlig?“, fragte ich.
    Als er bejahte, wusste ich: Das waren die Beeren vom Manzanita-Strauch. Für die Indianer, die einst hier lebten, stellten sie ein Hauptnahrungsmittel dar.
    In Europa scheint es nicht viel besser zu sein, was die Entfremdung von der uns tragenden und umgebenden Natur angeht. Es gibt eine Statistik, die besagt, dass der Bundesbürger im Durchschnitt lediglich sechs Wildpflanzen bestimmen kann: darunter Brennnessel, Löwenzahn, Gänseblümchen … und dann wird’s schwierig.
    Wir wissen zwar viel, gehen lange in die Schule, meinen, wir seien gebildet, aber wenn es um Wissen geht, das überlebensnotwendig sein kann, dann sieht es nicht gerade gut aus.
    Lehrjahre beim Gärtnermeister
    Es war wohl mein tief verwurzeltes Verlangen, der Erde und den Pflanzen nahe zu sein, das mich in eine biologisch-dynamische Kommune am Ufer der Rhone südlich von Genf führte. Eigentlich war die Aktion als ethnologische Feldforschung geplant: ein Ethnologe, der als Gärtner getarnt in das Dorf ging. Die Arbeit in dem Gemüsegarten nahm mich aber so gefangen, dass ich tatsächlich den Gärtner in mir wiederentdeckte, vorübergehend aus dem akademischen Betrieb ausschied und mehrere Jahre blieb. Dort lernte ich den Gärtner- und Kompostmeister Manfred Stauffer kennen. Er leitete den zwei Hektar großen Gemüsegarten, der die Gemeinschaft von rund 150 Leuten ernährte und zugleich so viel produzierte, dass biologisches Gemüse von hoher Qualität auch auf dem Wochenmarkt in Genf angeboten werden konnte.
    Der magere, steinige Boden, Ablagerungen eines urzeitlichen Gletschers, gab wenig her. Deswegen hatte ihn die Stadt der Gemeinschaft auch kostenlos zur Verfügung gestellt. Manfred Stauffers Schlüssel zum Erfolg war vor allem eine intensive Kompostwirtschaft. Miste aller Art vom eigenen Kuh-, Hühner- und Schweinestall und von den Nachbarhöfen, Abfälle aus den Haushalten, Hühnerfedern von einem Hühnerhof, Schlamm aus den Gräben, Haare vom Friseursalon und sogar die von der Genfer Hafenbehörde herausgefischten Algen ließen wir ankarren, um sie sachkundig zu kompostieren. Auf richtige Fruchtfolgen und Pflanzenzusammenstellungen wurde konsequent geachtet. Wir pflanzten Wildobsthecken, die den Wind bremsen, das Mikroklima verbessern und nebenbei Vitamine für den Wintervorrat liefern. Und obwohl weder Gift noch Kunstdünger verwendet noch mit schweren Maschinen gearbeitet wurde – ein Pferd, eine einfache Motorfräse und ansonsten Hacken und Grabforken genügten –, steigerte sich der Ertrag von Jahr zu Jahr. Über eine Zeitspanne von fünf Jahren verdoppelte sich das Einkommen des Gartens sogar. Der finanzielle Überschuss, der erwirtschaftet wurde, kam den anderen Werkstätten der Kommune zugute. Vieles, was in diesem Buch über das Gärtnern und Kompostieren steht, verdanke ich meinem Lehrmeister Manfred Stauffer.
    Der spirituelle Gärtner
    In diesem Dorf lernte ich auch Arthur Hermes kennen. Der alte Naturweise, der mir wie eine Wiedergeburt eines Druiden oder Priesters aus fernen Megalith-Zeiten vorkam, kam als Ratgeber. Ansonsten lebte er auf einem Einödhof in einer Waldlichtung hoch oben im Schweizer Jura. Für ihn war die Erde die Mutter Erde, der hohe Himmel der himmlische Vater und die Sonne Ausdruck des kosmischen Christus; Pflanzen und Tiere waren für ihn unsere Geschwister. Die Waldameisen nannte er „meine kleinen Mitarbeiter“. Von ihm lernte ich vor allem einen liebevollen Umgang mit den Pflanzen. „Wie kleine Kinder, wenn man sie zu Bett bringt, so soll man die jungen Gemüsesetzlinge in Mulch einbetten“, sagte er, „und mit dem Licht der Seele, mit der inneren Sonne, anstrahlen.“ Dann würden sie kräftig wachsen und uns richtig ernähren. Auch ihm bin ich dankbar, denn vieles, was in diesem Buch steht, geht auf ihn zurück.
    Irgendwann fing mich die Universität doch wieder ein und ich promovierte mit einer Dissertation über Schamanentum. Und dann gingen meine Frau und ich zurück in die USA, wo ich als Anthropologe eine Dozentenstelle suchen wollte. Da aber der neu gewählte Präsident Reagan gerade die Gelder für das Bildungswesen stark gekürzt hatte, gestaltete sich
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