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Der Seelenleser

Der Seelenleser

Titel: Der Seelenleser
Autoren: Harper Paul
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unterhalten.«
    Es war eine völlig unsentimentale Bemerkung, und Fane vermutete, dass sie ein Ausdruck brutaler Erfahrungen war. Aber er konnte ihr in diesem Punkt nicht widersprechen. Anonymität und Privatsphäre waren die letzten Zufluchten für den Verstand, in einer Welt, die zunehmend vernetzt, enthüllungsgeil, digital exponiert und gerüchtehungrig war. Beides war so selten wie Bescheidenheit und so wenig zu bewahren wie Unschuld.
    » Zudem kann es sein, dass Elise und Lore nicht die einzigen Opfer sind. Der einzige Grund, warum ich entdeckt habe, dass der Mann ihre Akten liest, ist die Art und Weise, wie er die Informationen verwendet. Es traf mich wie ein Bumerang. Aber was ist, wenn er auch auf die Ordner über meine anderen Klienten zugreift? Falls er die Informationen dort anders verwendet, wie könnte ich das wissen?«
    » Glauben Sie, dass er das tut?«
    » Diese Art von Mann«, sagte sie, » ist nicht in der Lage, seine Hände von anderen zu lassen.«
    » Sie haben vorhin etwas über sein Motiv für das Ausspionieren Ihrer Klientinnen gesagt. Sie glauben, dass er sie manipulieren will, wahrscheinlich für Sex, aber Sie haben so ein Gefühl, dass das nicht alles sei. Was meinen Sie damit?«
    » Das liegt daran, wie Elise und Lore über ihn reden«, sagte sie. » Er kann unmöglich nur ein Voyeur oder ein Sexualstraftäter sein. Ich…, ich habe so eine Ahnung, dass das, was mit diesen Frauen geschieht,… dass mehr dahintersteckt.«
    » Können Sie das genauer erklären?«
    » Ich… Es tut mir leid, aber wenn ich darauf jetzt eingehe, muss ich über die Beziehungen reden. Dann trage ich das alles auf… eine andere Ebene.«
    » Ich muss wissen, über wen wir reden«, sagte Fane.
    Vera nickte. Sie schien geahnt zu haben, dass es dazu kommen würde. » Elise«, sagte sie, » ist Elise Currin.«
    » Die Frau von Jeffrey Safra Currin?«
    » Ja.«
    Fane verstand plötzlich Veras Angespanntheit. Ihm fielen sofort ein Dutzend Gründe ein, warum sie berechtigt war.
    » Und die andere Frau?«
    » Lore Cha. Ihr Ehemann ist Richard Cha, ein Unternehmer im Silicon Valley. Hat irgendetwas mit innovativer Software zu tun. Sehr viele Patente, sehr viel Geld. Und Ehrgeiz.«
    » Beide wissen nicht, was Sie entdeckt haben?«
    » Nein, und ich möchte, dass es dabei bleibt. Sie sind der Einzige außer mir, der davon weiß.«
    Currin gehörte bona fide zu einer Elite von wenigen tausend Personen weltweit, die es durch ihr Vermögen, ihr Talent oder ihre Rücksichtslosigkeit zu Einfluss auf Millionen, wenn nicht Milliarden anderer Menschen gebracht hatten. Er saß im Vorstand von einem halben Dutzend weltweit agierender Unternehmen und besaß ein weiteres halbes Dutzend anderer. Er und seine Freunde kauften sich Verbindungsleute in Washington, und ihre Privatflugzeuge waren mit den Rollbahnen in London, Dubai, Hongkong, Paris und Mumbai vertraut.
    Sofort kam Fane Erpressung in den Sinn. Doch er hatte ähnlich wie Vera das nagende Gefühl, dass diese Erklärung zu offensichtlich wäre. » Es gibt drei Dinge, die für Sie arbeiten«, sagte er, » und ohne diese drei wäre ich mir nicht sicher, ob es überhaupt möglich ist, das Problem so anzugehen, wie Sie sich das wünschen. Erstens: Sie waren so klug, diesen Kerl nicht merken zu lassen, dass Sie ihm auf die Schliche gekommen sind. Er kommt schon eine Weile mit seiner Masche durch und fühlt sich ziemlich wohl dabei. Das ist gut.
    Zweitens: Sie haben Elise und Lore noch nichts gesagt. Das gibt uns etwas mehr Flexibilität, mehr Optionen.
    Drittens: Sie können Geheimnisse für sich behalten. Ich wäre bereit, Ihnen zu helfen. Aber Sie müssen eines verstehen: Was Sie hier wollen, wird etwas in Gang setzen, das Sie nicht unterschätzen sollten.«
    » Ich habe keine Angst davor, eine schwierige Entscheidung zu fällen«, sagte sie, » oder mit den Konsequenzen zu leben.«
    » Das reicht nicht«, sagte er. » Sie werden vorher nicht wissen, in welcher Währung Sie bezahlen müssen. Ein reines Gewissen? Selbstrespekt? Verlust von Vertrauen… in sich selbst, in andere?«
    Sie studierte einen Augenblick lang sein Gesicht, kam dann zurück zu ihrem Lehnstuhl und setzte sich wieder.
    » Mir sind Jeffrey Currin und Richard Cha völlig egal. Aber ich habe eine Verpflichtung ihren Frauen gegenüber. Falls ich zulasse, dass die Dinge, die sie mir im Vertrauen erzählt haben, an die breite Öffentlichkeit gelangen, entziehe ich mich meiner Verantwortung, was verheerende Folgen für
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