Der seekranke Walfisch. Oder: Ein Israeli auf Reisen.
Alter von elf beziehungsweise neun Jahren - keine amerikanische Ehe ist; daß es nur in Amerika Steaks gibt; daß man aus
Broschüren alles erlernen kann, auch »Wie man Präsident wird, in zehn leichtfaßlichen Lektionen«; und daß Gott die Amerikaner liebt, ohne Rücksicht auf Rasse oder Religion, aber mit Berücksichtigung ihres sozialen Status.
Ungeachtet dieser vielfältigen Voraussetzungen herrscht in allen Staaten der Union die gleiche Strenge von Gesetz und Recht.
Im Staate Alabama ist es zum Beispiel verboten, während eines Schaltjahrs Popcorn zu verkaufen. Im nahe gelegenen Staate Mississippi dürfen Kinder unter acht Jahren nur in Gegenwart eines Notars »Mama und Papa« spielen. Nebraska weist alle Junggesellen über dreißig aus (nur Piloten, Polizisten und Rollschuhläufer werden hiervon nicht betroffen). Colorado untersagt das Stricken von Wolljacken. Oregon stellt nur Briefträger an, die eine Taucherprüfung abgelegt haben. In Ohio darf sich eine Frau auf der Bühne nicht entkleiden, in New York darf sie, in Nevada muß sie.
Und wo das Gesetz nicht ausreicht, nehmen es die Menschen selbst in die Hand.
Mein Onkel Harry zum Beispiel ist Mitglied der Vegetarier-Loge der Freimaurer und haßt die Mitglieder der Fisch- und Krustentier-Loge aus ganzer Seele. Außerdem gehört er dem »Weltverband zur Verbreitung und Förderung des Monotheismus« an, einer hochangesehenen Organisation, in deren Reihen sowohl Juden zu finden sind, die an Jesus glauben, als auch Christen mosaischen Bekenntnisses. Ferner ist Onkel Harry Vizepräsident der Hadassa-Bezirksorganisation und hat seine Bridgepartie im »Rekonstruktions-Cercle«, wo man mit Geistern und Fliegenden Untertassen verkehrt. Onkel Harry belehrte mich auch über die Quäker, die sich während ihrer wortlosen Gebete ekstatisch hin- und herwiegen, jede Form des Eides verabscheuen und die Abschaffung von Sklaverei und Militärdienst sowie die Einführung gleicher Rechte für die Frau betreiben. Andererseits wird Utah von den Mormonen beherrscht, einer Sekte, die immerhin so zahlreich ist wie die israelischen Juden. Die Mormonen sind anständige, rechtlich gesinnte Leute. Sie rauchen nicht, sie trinken weder Alkohol noch Tee noch Kaffee, und sie begnügen sich mit dem, was übrigbleibt, also mit zwei oder mehr Frauen.
»Wie war das, bitte?« unterbrach ich Onkel Harry. »Sagtest du: zwei oder mehr Frauen?«
»Ursprünglich war das so.« Onkel Harrys Blicke schweiften wehmütig in Richtung Utah, kamen aber nur bis Illinois. »Heute haben auch sie sich zur Monogamie bekehrt.«
»Warum, um Himmels willen?«
»Sie hatten keine Wahl.«
Das Problem begann mich zu interessierten.
»Hm«, brummte ich am nächsten Tag beim Frühstück vor mich hin. »Hm, hm, hm. Merkwürdig.«
Meine Gattin kniff fragend die Augen zusammen:
»Was ist merkwürdig?«
»Was Onkel Harry mir gestern über die Mormonen und ihre Vielweiberei erzählt hat.«
»Wieso ist das merkwürdig? Besser in aller Offenheit eine zweite Frau als ein heimliches Verhältnis. Findest du nicht?«
Ich staunte. Ich hatte erwartet, daß meine Gattin zu toben begänne: über die barbarischen Sitten einer exzentrischen Sekte, über die Benachteiligung der Frauen, über den Egoismus der Männer und über alles, was ihr sonst gerade in den Sinn käme. Statt dessen...
»Du magst recht haben«, nahm ich vorsichtig den Faden wieder auf. »Eigentlich ist es für die Mormonen ein sehr natürlicher Ausweg, den ihre Religion ihnen da bietet.«
»Wieso ist das nur für die Mormonen natürlich? Wieso, zum Beispiel, nicht für dich?«
»Weil den Juden, zum Beispiel die Polygamie schon von Rabbi Gerschom verboten wurde.«
»Wann hat Rabbi Gerschon gelebt?«
»Im elften Jahrhundert.«
»Und da richtet man sich noch immer nach ihm? Ein mittelalterliches Verbot kann doch heute nicht mehr gelten!«
Ich muß gestehen, daß meine kleine, kluge Frau einen ganz neuen Aspekt des Problems aufgedeckt hatte. Nach unseren eigenen, biblischen, altehrwürdigen, man könnte geradezu sagen, ewigen Gesetzen, ist es uns nicht nur gestattet, mehrere Frauen zu haben, sondern es wird uns geradezu empfohlen. Genau wie den Mormonen.
»Tatsächlich«, bestätigte ich. »Unsere Vorväter waren vernünftiger als wird. Sie wußten, daß auch eine gute Ehe - und ich wiederhole: eine gute Ehe - mit der Zeit in die Brüche gehen kann, wenn der Mann... du verstehst...«
»Ich verstehe. Es ist ja nur natürlich.«
Ich bewunderte sie
Weitere Kostenlose Bücher