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Der Schwur der Venezianerin

Der Schwur der Venezianerin

Titel: Der Schwur der Venezianerin
Autoren: Gunter Tschauder
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Menschen auch noch zu dienen? Lieber Euch, Bianca. Ihr werdet Besseres daraus machen.“
    Bianca lächelte und freute sich über das Vertrauen.
    „Es gehört innerste Überzeugung dazu, dabei nicht mitzumachen, innerste Überzeugung und Unabhängigkeit. Das beantwortet auch gleich den zweiten Teil Eurer Frage. Ihr seid ein junges Mädchen. Für mich aber gilt etwas anderes. Ihr seid im Sinne unserer Bildung ein wertvolles Kleinod, ein rauer Edelstein, der sich bei entsprechendem Fleiß zu einem wahren Kunstwerk entwickeln kann, das noch viele Geister in unserem Land beschäftigen wird.“
    „Was meint er damit?“, fragte sich seine Schülerin. Doch gefielen ihr die lobenden Worte. Zwischen Cicero und Cäsar, neben Boccaccio und Machiavelli, die sie alle von Balzano kennenlernte, fand sie bei Tante Gritti genügend Mußestunden, sich mit der Schönheit des eigenen Körpers auseinanderzusetzen. Sie war noch jung, unbefangen und sie befand sich im aufblühenden Leben.
    Signora Gritti ahnte hinter den üblen Machenschaften der Stiefmutter Lucrezia das Ende des ausgreifenden Lebens auf Bianca zukommen. Bald würde ihr die Erziehung des wundervollen Mädchens entzogen werden, so ließ sich ihre Schülerin des Öfteren vernehmen und sie würde in ein Kloster gesteckt werden. So wollte auch die Tante ihr nichts entgehen lassen, was ihr auf dem steinernen Weg zu einer stolzen Frau behilflich sein könnte. Sie nannte diese Stunden „Praktisches Leben“, in denen sie dem Mädchen nahe brachte, wie man sich schminkt, sich bewegt und die Gefühle der Welt erregt. Am liebsten wäre es der Schwester des Dogen gewesen, wenn eine der bekanntesten Kurtisanen der Stadt, Signora Pauline, diesen Teil der Ausbildung übernommen hätte. Doch sah sie davon ab, da ihr dieser Schritt zu gewagt schien. Es schien ihr auch unvereinbar mit ihrer Stellung, diese Dame, die von allen Frauen der Lagunenstadt gleichermaßen sowohl verachtet als auch beneidet war, unbemerkt in das Haus ihres Vaters einzuschleusen. Signora Gritti fühlte sich in die schönsten Tage ihres Lebens versetzt, als sie sich aufraffte, ihren Schützling mit den Verführungskünsten einer reifen Frau vertraut zu machen.
    Tage, Wochen und Monate vergingen, selbst das eine oder andere Jahr war gekommen und vergangen. Gritti entdeckte in dem Gesicht und Körperformen von Bianca das Kunstwerk eines großen Meisters. Ihre Schönheit hatte mit den Jahren zugenommen und jeden Tag aufs Neue erfreute sie sich an dem Ebenmaß ihrer Schülerin. Wenn sie Bianca heimlich beobachten konnte, dachte sie mehr und mehr daran, die Ästhetik selbst hätte Bianca geschaffen. Signora Gritti schien es nun soweit zu sein, das reifer werdende Mädchen noch ein wenig mehr mit den Kniffen einer erfolgreichen Frau vertraut zu machen.
    Diese Art des praktischen Unterrichts ließen die Wangen Biancas erglühen, ihre Augen leuchteten und jeder dieser Tage gestaltete sich für sie zu einem wahren Fest der irdischen Glückseligkeit.
    Viel Wert legte Tante Gritti auf die erotische Ausstrahlung des Gesichtes ihrer Schutzbefohlenen.
    „So, wie du zuvor ausgesehen hast, so will dich deine Stiefmutter. Wie willst du dich?“
    „Schön und lachend, glücklich und erfolgreich.“
    „Das ist gut so. Auch wenn du sehr traurig bist, gehe vor einen Spiegel. Lache dich an. Du wirst sehen, deine Traurigkeit verschwindet schneller, als du dachtest. Wem nützt deine Traurigkeit? Nur denen, die dich nicht mögen.“
    Längst hatte Bianca wieder begonnen zu lachen. Ihre blauen Augen strahlten sie aus ihrem Spiegel an, und sie erkannte die Wirkung.
    „Weißt du, mein Bruder, der Doge, sagt, ein Lächeln bringt dir mehr Freude und Freunde, als du bezahlen könntest. Mit Traurigkeit erhältst du nur Mitleid, das hinterlistigste Gefühl, das sich die Menschen ausgedacht haben.“
    In zunehmendem Maße vertiefte Bianca ihre Bildung und lernte Menschen zu beeinflussen. Vergaß sie dabei die Eifersucht und den Hass ihrer Stiefmutter auf Bildung?

Mit den Schwingen der Kunst  
    Die Venezianer waren es gewohnt Probleme, Streitereien und Langeweile mit festlichen Anlässen zu übertünchen. Gehörte das kommende Fest auch dazu? Welche Rolle konnte ein junges Mädchen in einer derartigen Illumination spielen?
    In den Gärten des Palazzo Cappello fand sich im Sommer des Jahres 1560 die Sahne der venezianischen Gesellschaft ein. Die Edlen und die Reichen, die Mächtigen und die Künstler. Das Geld beherrschte die Kunst. Der eine
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