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Der Schwur der Königin

Der Schwur der Königin

Titel: Der Schwur der Königin
Autoren: Christopher W. Gortner
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Ihre Anweisung wurde ignoriert.
    Die Vertreibung der Juden von 1492 ist nicht minder unheilvoll und wirft einen dunklen Schatten auf Isabellas Namen. Jahrhunderte danach lässt sich nicht mehr ermitteln, wie die Königin diese entsetzliche Tragödie, die aufgrund ihres Erlasses angezettelt wurde, persönlich empfand. Dass ihr die Konsequenzen nicht bewusst waren, ist unwahrscheinlich. Gleichwohl gibt es in den erhalten gebliebenen Dokumentationen keinerlei Hinweise auf einen persönlichen Hass gegen die Juden, von denen ihr einige, Rabbi Señeor beispielsweise, treu am Hof gedient hatten. Sicher ist, dass sie nicht an die Berechtigung einer anderen Religion außer der katholischen glaubte – in dieser Hinsicht waren sich alle europäischen Monarchen gleich. Andererseits liefert uns die Geschichte Hinweise darauf, dass Isabella in vielfältiger Weise Druck von außen ausgesetzt war. So wurde sie nach der Eroberung Granadas durch kastilienweite Pogrome gegen Juden zum Handeln gezwungen. Von besonderem Interesse ist dabei die Auffassung, Fernando habe sie aus sehr persönlichen Gründen bedrängt, die Vertreibung anzuordnen. Isabella könnte tatsächlich gehofft haben, mit ihrem Edikt eine Massenkonvertierung auszulösen, statt ihre jüdischen Untertanen ins Exil zu treiben. Wenn es sich so verhielt, hatte sie die Widerstandsfähigkeit dieses Volks dramatisch unterschätzt, das über die Jahrhunderte hinweg an seinem geliebten Glauben festgehalten hatte, ohne unterzugehen. Trotzdem darf die Annahme ihrer schärfsten Kritiker bezweifelt werden, sie hätte die Verbannung der Juden von Anfang an geplant, einstweilen deren Wohlstand für ihre Zwecke benutzt und einfach abgewartet, bis sie einen gangbaren Weg sah, sie zu verjagen. Sehr viel wahrscheinlicher ist, dass sie sich gegen diesen Gedanken wehrte und sich nur nach und nach von seiner Unvermeidlichkeit überzeugen ließ. Nachdem sie sich zu dieser Entscheidung durchgerungen hatte, erwies Isabella sich allerdings – wie in all ihren Unternehmungen – als unerbittlich.
    Die Tatsache, dass sie die Spanische Inquisition einsetzte, wirft ein weiteres Licht auf ihren Charakter, das ihre glühenden Bewunderer in Verlegenheit stürzt und ihre Kritiker beflügelt. In diesem Roman stelle ich eine mögliche Interpretation des Weges dar, auf dem sie zu ihrem folgenschweren Beschluss gelangt sein mag. Als Grundlage dienen mir intensive Recherchen über ihre Persönlichkeit und ihre Art, die Welt zu betrachten. Zwar biete ich keine Entschuldigung für ihr Handeln an, doch ihre Ablehnung von Grausamkeit ist ausführlich dokumentiert. Sie verabscheute tatsächlich Stierkämpfe und verbat sich die Abhaltung von Corridas zu ihren Ehren, auch wenn ihre Vorschrift oft ignoriert wurde. Weiterhin habe ich nirgendwo Hinweise darauf gefunden, dass Isabella jemals an einer Ketzerverbrennung teilnahm. Auch halte ich es für wichtig zu erwähnen, dass es die Inquisition schon Jahrhunderte vor ihr gegeben hatte, wenn auch nicht in dieser ausgeprägten Form. Was der Inquisition in ihrem Fall diesen einzigartigen Charakter verlieh, ist die Tatsache, dass sie den Blickwinkel ausschließlich auf die sogenannten falschen conversos einengte – diejenigen Konvertiten, die verdächtigt wurden, heimlich jüdische Gebräuche auszuüben, während sie nach außen Gehorsam gegenüber dem Christentum vorgaben. Natürlich warf das »Heilige Amt« ein sehr viel größeres Netz des Terrors aus, als Isabella das hätte vorhersehen können. Angesichts ihrer Gesinnung darf man mit einigem Recht vermuten, dass sie die Verfolgung ihrer Untertanen nicht auf die leichte Schulter nahm, obwohl sie offenbar sehr wohl glaubte, dass der Zweck die Mittel heilige. Letzteres bietet ein weiteres Beispiel für die Widersprüchlichkeit von Isabellas Natur, ein Aspekt, der sich nur schwer mit ihrer Menschlichkeit vereinbaren lässt. Andererseits muss daran erinnert werden, dass für Isabella und viele ihrer Zeitgenossen das Überleben der Seele vom Glauben abhing und dass die Grundsätze, die sie verkörperte, mehr waren als die bloße Folge extremer Frömmigkeit. Alle anderen Monarchen ihrer Zeit teilten die Verwurzelung im Katholizismus mit ihr und untersagten mit Gesetzen oder sonstigen Mitteln jede Abweichung von der zugelassenen Doktrin. Ironischerweise waren es gerade diese Verbote, die der protestantischen Reformation den Weg ebneten.
    Es ist nicht möglich, ein so komplexes Leben wie das von Isabella auf eine
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