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Der Schweizversteher

Der Schweizversteher

Titel: Der Schweizversteher
Autoren: Diccon Bewes
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weithin
(miss)verstanden. Bevor wir uns näher damit befassen, gilt es festzuhalten,
dass es sich dabei um etwas ganz anderes handelt als um ein gelegentliches
englisches Wort in einem normalen Schweizer Satz wie Ticket, Sandwich, Quickie,
Management, online, Sofa, Hobby, Snack und dergleichen.
    Swinglish ist dem deutschen Denglisch
ähnlich und kennt zwei Stufen: Grundniveau und Fortgeschrittene. Ersteres ist
für Außenstehende paradoxerweise schwerer zu verstehen, was zwei Gründe hat:
Zum einen sind die englischen Wörter weit in der Unterzahl, zum anderen heißen
sie manchmal auch etwas ganz anderes als
in ihrem Herkunftsland. Beispielsweise wird ein Mobiltelefon in Swinglish zu
Handy
, also praktisch,
nützlich, bequem – was es zweifellos ist, aber das englische Adjektiv
handy
trifft ja nun
noch auf viele andere Dinge zu. Auf diesem Niveau erfüllen die Swinglish-Wörter
zwei Funktionen. Erstens sind sie cool, denn ein englisches Wort ist viel
fetziger als ein altbackenes schweizerisches, vor allem wenn es darum geht,
etwas zu verkaufen. Und zweitens überwindet man damit die Sprachbarriere. Viel
leichter, ein einziges englisches Wort wie etwa
Sale
zu gebrauchen, das von jedem
verstanden wird, als es in vier verschiedenen Sprachen aufzulisten; zumindest
spart es Platz. Swinglish ist also gleichzeitig hip und hilfreich.
    Ein aus dem Alltag gegriffenes
Beispiel für Swinglish ist das Wort
Drink
,
das fettarme Milch bezeichnet. In Schweizer Supermärkten gibt es echte
Milch
(beziehungsweise
lait
oder
latte
) mit vollem
Fettgehalt und den
Drink
.
Für Nichtschweizer, die das Wort aus amerikanischen Filmen kennen, ist die
Bezeichnung von Milch oder Saft als Drink ein bisschen absurd, wobei der
Engländer wässrige Milch oder den gefürchteten Fruchtnektar als Drink kennt und
weiß, dass das Zeug meist gesüßt und immer mit Wasser verdünnt ist. Der
Schweizer hingegen versteht darunter ganz selbstverständlich ausschließlich
entrahmte Milch. Doch mit einem englischen Wort klingt das richtig hip und
attraktiv, und man vermeidet zugleich, „fettarme Milch“ in mehrere Sprachen
übersetzen zu müssen.
    Für Ausländer besteht das Problem
darin, dass die Schweizer, wenn sie Englisch sprechen, gerne mal vergessen,
dass es sich dabei um Swinglish handelt. Kein Problem, wenn nur Buchstaben
wegfallen wie beim (K)now-how, oder sich die Bedeutung wie bei der
Antibabypille leicht erschließt. Doch Swinglish kann auch zu größeren
Missverständnissen führen. Hier ein paar Beispiele:
    Hit
:  ein Sonderangebot – normalerweise
wird das Wort nachgestellt; es heißt dann
Preishit
oder (als Mittagsmenü)
Tageshit
. Der Preis ist hier sicher ein schlagendes Argument, aber als Engländer,
für den der „Hit“ ein Hieb ist, möchte ich dafür nicht gleich zu Boden gehen
müssen.
    Mobbing
: Schikane, meist am Arbeitsplatz. Verständlich, wenn es deshalb zum
Aufruhr kommt, aber dass sich der Mob erhebt, ist sicher nicht im Sinn eines
Schweizers.
    Oldtimer
: betagter
Wagen, ob Auto, Bus oder Tram. Aber eben kein Alteingesessener oder alter Hase
(auch wenn der Wagenbesitzer sich bestimmt wünscht, dass ein solcher den
Schraubenschlüssel bei der Reparatur seines Schmuckstücks in Händen hält).
    Smoking
: eleganter
Anzug. (Die passenden Tabakwaren wären vielleicht Cigarillos aus dem Hause
Davidoff oder kubanische Zigarren.)
    Trainer
:
ein Trainingsanzug
OHNE
Schuhe, nicht der
Turnschuh wie in England.
    Swinglish auf fortgeschrittenem
Niveau ist für Ausländer und Muttersprachler viel leichter zu verstehen, wohl
aus dem einfachen Grund, dass die Sätze nach englischer und nicht nach
Schweizer Grammatik konstruiert sind. Swinglish-Sprecher dieses Niveaus
sprechen normalerweise recht gut Englisch, verraten sich aber, weil immer mal
wieder ihre Schweizer Herkunft durchspitzt. Was nicht unbedingt am Vokabular
liegt, denn die meisten haben gelernt, „falsche Freunde“ zu vermeiden. Häufiger
übersetzen sie einen Ausdruck ihrer Muttersprache wörtlich, was in der
Zielsprache Verwunderung auslöst. So wird aus dem schwyzerdütschen
Hoi zäme!
das
swinglishe „Hello together“ statt des englischen „Hello everyone!“
    Die auffälligste Absonderlichkeit
beim fortgeschrittenen Swinglish ist die Grammatik. Plötzlich haben viele
Substantive erstmals einen Plural
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