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Der Schweizversteher

Der Schweizversteher

Titel: Der Schweizversteher
Autoren: Diccon Bewes
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(
informations,
behaviours
), andere werden im Plural eigenartig geschrieben (
babys
statt
babies
,
partys
statt
parties
). Verben sind
in ungeahnter Vielzahl reflexiv –
dressing,
hurrying, shaving, imagining, remembering, sitting down
– man tut sich hier einiges selbst an. Weil es im
Deutschen heißt: „Wir treffen uns“, „ich schäme mich“ und „wir sehen uns“, sind
swinglishe Idioms wie „We meet us“, „I shame me“ und „We see us“ nicht
ungewöhnlich. Und dann noch die Verlaufsform, die von Swinglish-Sprechern
gerade genüsslich praktiziert wird, vielleicht gerade weil es sie im
Schwyzerdütschen nicht gibt. „Are you speaking German?“, ist eine Frage, die
jeden Angesprochenen verwirren wird, obwohl sie vermutlich fast akzentfrei
erklingt.
    Und auch die Aussprache mit anderem
Zungenschlag bietet einige Stolperfallen, weshalb es einen Schweizer nicht
wundern sollte, wenn er sich trotz perfekter Grammatik nicht verständlich
machen kann. Ich stand im Buchladen einmal schrecklich auf dem Schlauch, als
eine Kundin in der von mir betreuten englischen Abteilung nach Büchern über
„Chee-ses“ fragte. Die Bücher über Käse aus der Kochbuchecke riefen bei ihr nur
Kopfschütteln hervor, und als ich ihr ein Buch über „Swiss Cheese“ in der
Regionalia-Ecke heraussuchen wollte (und mich dabei verwirrt fragte, ob
cheese
eigentlich
einen Plural hat), war sie ebenfalls nicht glücklich.
    â€žThere is no Swiss Cheeses“, hörte
ich sie deutlich widersprechen.
    Es gibt keinen Schweizer Käse? Was
für eine eigenartige Behauptung! Jetzt schaute ich so verblüfft, dass sie sich
zu einer weiteren Erklärung genötigt sah. „Cheeses war kein Schweizer, er war
der Sohn Gottes“, übersetzte ich für mich ihre Worte, und da fiel der Groschen
endlich. „Ach so, Sie meinen Jesus!“
    Der Unterschied zwischen dem
stimmhaften „
J
“
(dsch) und dem stimmlosen „
CH
“
(tsch), mit dem auch viele Deutsche ein Problem haben, hätte mich an diesem Tag
fast eine Kundin gekostet. Aber immerhin habe ich einen Schweizer Jesus
kennengelernt, was ich sicherlich nie vergessen werde.
    âœš

Fazit
    Die Schweizer sind reich, protzen aber nicht mit ihrem
Geld, sie sind zurückhaltend, stellen sich aber grundsätzlich jedem vor, sie
sind innovativ, aber veränderungsresistent, liberal genug, um schwule
Partnerschaften abzusegnen, und so konservativ, dass sie Minarette verbieten.
Außerdem haben sie einen Frühstücksbrei erfunden, den sie am Abend essen. Die
Privatsphäre ist ihnen heilig, aber Schnüffelei von Staats wegen wird geduldet;
das Volk entscheidet über alles, doch die Mehrheit geht nicht zur Wahl.
Ehrlichkeit ist eine Lebenshaltung, über eine schwierige Vergangenheit spricht
man jedoch höchst ungern; und Konformität ist die Norm, wobei sich rote Schuhe
einer kuriosen Beliebtheit erfreuen.
    Dass die Schweizer widersprüchlich sind, überrascht
nicht, wenn man bedenkt, wie gespalten das Land ist. Seit ihren Anfängen hatte
die Schweiz mit geografischen, sprachlichen, religiösen und politischen
Gegensätzen zu kämpfen, die anderen Ländern bereits in ihrer Geburtsstunde den
Todesstoß versetzt hätten. Diese Gräben wurden überbrückt, wenn auch nicht ohne
Blutvergießen, aber noch heute ist die Schweiz so paradox wie ihre Bewohner.
Einerseits treibt moderne Technologie die Wirtschaft voran, andererseits werden
steile Bergwiesen weiterhin mit der Sichel gemäht; die Nation ist neutral und
exportiert dennoch Waffen in viele Länder; sie hat keine Küste, gewann im
Segeln aber den America’s Cup, und ihre Handelsflotte ist so groß wie die
russische. Und was die Klischeevorstellungen angeht – nicht jeder Käse hat
Löcher, Kuckucksuhren stammen nicht aus der Schweiz, und nicht jeder Zug ist
auf die Minute pünktlich.
    Dieses Buch hat uns vom Fuß des Matterhorns bis zur
Eigerspitze geführt. Die zwei berühmten Gipfel mögen beide wie Berge aussehen,
sind aber so verschiedenen wie ein Zürcher und ein Basler. Man sagt, ein
Schweizer fühle sich erst als solcher, wenn er sein Land verlässt, bis dahin
gehöre sein Herz dem Kanton Bern, Schwyz, Tessin und wie sie alle heißen. Aber
ganz gleich welche Sprache sie sprechen, wo sie wohnen oder zu welchem Glauben
sie sich bekennen,
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