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Der schwarze Wikinger: Roman (German Edition)

Der schwarze Wikinger: Roman (German Edition)

Titel: Der schwarze Wikinger: Roman (German Edition)
Autoren: Shirley Waters
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Nordmann mit so tiefschwarzem Haar hatte Caitlín noch nie gesehen.
    In ihrer Sprache wechselten die Männer Worte, die alles andere als freundlich klangen. Dann warf der Blonde dem anderen einen letzten finsteren Blick zu, machte auf dem Stiefelabsatz kehrt und stapfte hinaus, Befehle ausstoßend. Zwei weitere Männer stürmten herein, ließen die Falltür fast bersten und begannen Würste, Käse, Getreidesäcke und Weinkrüge fortzuschleppen.
    Ja, nehmt nur alles mit , dachte Caitlín. In ihren Armen zitterte Schwester Órla, und in ihrem Rücken spürte sie, wie eine ältere Nonne sich vor und zurück wiegte. Wenn ihr dann nur verschwindet .
    Órla japste in ihrer Furcht laut nach Luft. Caitlín suchte ihren Mund, um ihn mit ihrer Hand zu verschließen. Hatte er dort oben es gehört? Die Männer waren laut, unterhielten sich und lachten. Nur der Schwarze schien in sich gekehrt, so als lausche er.
    Was war das? Ein Licht huschte über seine Unterschenkel. Entsetzt erkannte Caitlín, dass es das Fackellicht war, das sich in ihrer Messerklinge spiegelte. Schnell verbarg sie das Messer hinter Órlas Rücken, doch es war zu spät. Er senkte den Kopf. Ihre Blicke trafen sich – Caitlín war sich sicher, dass er sie sah. Aber war das nicht unmöglich? Hier unten war es nach wie vor stockdunkel. Oder ließ das Licht ihre kupferfarbenen Haare glänzen?
    Seine Augen schienen der tosenden See zu entstammen. Leuchtendes Blau, dunkler als das Eisblau oder Grau, das bei den Männern des Nordens üblich war. Darüber wölbten sich schwarze Brauen. Einen Bart trug er nicht – taten das nicht alle Nordmänner? Nichts bedeckte das Kinn und die schön geschwungenen Lippen. Auch sein Stirnrunzeln, seine nachdenklich mahlenden Kiefer, sein finsterer Gesamteindruck konnten nichts an dem Gedanken ändern, der Caitlín durch den Kopf schoss: Habe ich je ein vollkommeneres Gesicht gesehen?
    Unschlüssig drehte er sich um. Das Band, das sein Haar zusammenhielt, war aus kleinen silbernen Gliedern gefertigt, in denen sich das Licht der Fackel spiegelte. Sogar die schwarz eingeritzten Muster konnte Caitlín erkennen. Ihre Sinne waren zum Zerreißen gespannt. Der Griff des Messers war feucht von ihrem Schweiß. Sie war sich sicher: Gleich würde er mit dem Stiefel die Latten durchtreten und mit triumphalem Lachen zu ihnen herabdeuten.
    Worauf wartete er? Es war vorbei. Vorbei!
    Als jemand rief, flog sein Kopf hoch. »Prífísk«, zischte er in sich hinein. Ein Fluch – Caitlín kannte die Sprache der Nordleute seit der Kindheit, in der sie staunend und ängstlich an der Seite des Vaters ihre Dörfer an der Küste besucht hatte. Der Barbar eilte aus der Kammer.
    »Er wird jetzt die anderen holen«, schluchzte Órla auf. Und als gäbe es keine Notwendigkeit mehr, sich zu verbergen, begannen alle sich zu bewegen und zu weinen.
    »Bitte, bitte, seid leise«, flehte Caitlín, obwohl sie selbst zitterte und die Tränen nicht zurückhalten konnte. Aber würde das jetzt noch etwas ändern? Gleich würde er zurückkehren, er und die anderen. Gleich …
    Aber er kam nicht. Sie lauschte, ob die Nonnen, die ihr Heil im Ziegenstall gesucht hatten, entdeckt worden waren, konnte aber keine weibliche Stimme hören. Das Gepolter über ihnen in den Winkeln der Abtei verebbte. Was blieb, war Stille.
    »Sie sind verschwunden«, murmelte Caitlín. Ihrem Gefühl nach mochte eine Stunde vergangen sein. Nein, so viel sicherlich nicht, sie hatte nur jegliches Zeitgefühl verloren.
    Eine Nonne schluchzte. »Sie warten nur, dass wir herauskommen.«
    »Warum sollten sie das tun?« Caitlín löste Órlas Hände von ihren Schultern und erhob sich. Die Kälte fuhr ihr in die Glieder. Das Unterkleid schützte kaum, und ihre nackten Füße fühlten sich an, als wären sie aus Eis. Sie musste hier heraus, länger ertrug sie es nicht mehr.
    »Herrin Caitlín, tut das nicht!«
    Sie ließ sich nicht beirren. Vorsichtig und lautlos stieg sie die Leiter hinauf und schob den Riegel zurück. Die Falltür hochzudrücken kostete Kraft, aber es gelang ihr schließlich. Die Latten knarrten, als sie daraufkroch. Sie erhob sich, tastete sich zur geschlossenen Tür vor. Der Gang, dessen Fenster auf den Kreuzgang hinausgingen, war in dämmriges Morgenlicht gehüllt.
    Ein schriller Schrei zerriss die Ruhe.
    Caitlín raffte das Unterkleid und hastete in Richtung der Kapelle. In deren Eingang stand Schwester Rianna, über und über mit stinkendem Mist verschmiert. Die alte Benediktinerin
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