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Der schwarze Wikinger: Roman (German Edition)

Der schwarze Wikinger: Roman (German Edition)

Titel: Der schwarze Wikinger: Roman (German Edition)
Autoren: Shirley Waters
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hat kurz die Augen geöffnet. O Gott.«
    Caitlín hielt inne. Wartete. Er atmete gleichmäßig. Schnell öffnete sie das Hemd um zwei Handbreiten, sodass die Wunde sichtbar wurde. Órla war rasch zurückgekehrt, und als Caitlín aus der mitgebrachten Wasserschüssel ein Tuch zog und damit seine Brust säuberte, erzitterte er unter ihr. Sie hielt inne. Doch nichts geschah.
    »Ich fürchte mich wirklich vor dem Augenblick, wenn er aufwacht«, murmelte sie. Órla und Hyld seufzten beipflichtend.
    »Das hier ist eine Mischung aus Hühnerdreck, Fett und schimmligem Brot«, erklärte Schwester Órla, während sie einen Tiegel öffnete. »Es stinkt übel, hilft aber bei Fleischwunden. Jedenfalls steht es so in einem alten Buch geschrieben, und in der Küche hält man stets einen Tiegel bereit.«
    »Puh«, Caitlín rümpfte die Nase. Sie bedauerte es, nicht viel von Heilkunde zu verstehen. Die meisten Kräuterfrauen hielten ihr Wissen geheim, und auch die Krieger auf dem Hof des Vaters hatten sich immer geheimnistuerisch gegeben, wenn es um das Behandeln ihrer Wunden gegangen war. Als sie zum ersten Mal geblutet hatte, hatte ihre Mutter ihr einen Hühnerfuß auf den Bauch gebunden. Und tatsächlich war die zweite Blutung nicht mehr so schmerzhaft gewesen. Vielleicht also war ihr Widerwille gegen diese Salbe nicht angebracht. Caitlín hielt den Atem an, tauchte zwei Finger hinein und rieb die schwarze Paste in die Wunde. Wieder bewegte sich der Wikinger. Bestimmt würde er jeden Augenblick hochschnellen, brüllen und ihnen schreckliche Dinge antun.
    Sie sprang zurück.
    »Was ist, Herrin?«, fragte Hyld.
    Caitlín räusperte sich. »Nichts, aber mir ist wirklich wohler, wenn er wieder gefesselt ist.«
    Órla reichte ihr das Seil. Sowie Caitlín seine Hände erneut über dem Rücken gebunden hatte, atmete sie auf. Was hatte sie nur getan? Und würde ihr Handeln Folgen haben? Ermattet sank sie auf ihre Schlafpritsche.
    Obwohl sie überzeugt war, kein Auge zutun zu können, plagten sie rasch unruhige Träume. Wilde Nordmänner zerrten sie aus ihrem Kellerversteck, verschleppten sie auf ihr Drachenschiff. Schnee, Regen, starke Winde beutelten sie. Die Männer lachten, kräftige Zähne blitzten in ihren breiten Mündern auf. Die blonden Bärte reichten ihnen weit auf die Brust, und ihre Fäuste waren groß wie Brotlaibe. Sie betasteten Caitlín, hoben ihre Röcke, wollten unter ihren Umhang greifen, den sie verzweifelt fest um sich schlang. Auf den Sklavenmärkten von Haithabu bringst du einen Sack voller gehacktem Silber , grölten sie. Aber vorher werden wir noch unseren Spaß mit dir haben .
    Caitlín wollte schreien, doch ihre Kehle war wie zugeschnürt. Plötzlich legte sich eine Hand von hinten auf ihre Schulter. Ein Mann trat an ihre Seite. Der Tumult legte sich. Sogar die Winde nahmen ab. Ich habe sie zuerst entdeckt. Sie gehört mir. Mir ganz allein … Es war der Schwarzhaarige, der die Stille brach. Caitlín wusste nicht, ob sie seinen Besitzanspruch begrüßen oder noch mehr Furcht empfinden sollte. Die anderen Männer zogen ihre Dolche aus den Gürteln und stapften auf sie zu …
    Caitlín riss die Augen auf und hörte erleichtert das Holz im fast heruntergebrannten Feuer knacken. Hyld schnarchte leise, also konnte die Lage nicht so gefährlich sein. Leise setzte sich Caitlín auf. Der Wikinger – wüsste sie seinen Namen, dann wäre er weniger bedrohlich – lag unverändert am Feuer. Den Kopf hatte er gedreht, sodass sie sein Gesicht sah. Selbst im Schlaf wirkten seine Züge angespannt. Er zitterte. Schweiß stand ihm auf der Stirn. Sein Silberband hatte sich gelöst, Strähnen hingen ihm ins Gesicht.
    Die Bettstatt knarrte leise, als Caitlín sich erhob. Sie legte ihm zwei Decken über den Leib, tauchte den Lappen in das nicht mehr ganz saubere Wasser, schob behutsam seine Haare zurück und kühlte seine Stirn. Er murmelte etwas Unverständliches und rollte sich schwerfällig auf die Seite.
    Er sah sie an! Sie schloss die Augen und wünschte, sich mit dem féth-fíada -Zauber alter irischer Helden unsichtbar machen zu können. Als sie wieder die Lider hob, schlief er. Sie musste sich getäuscht haben.
    Aber was war das?
    Aus dem Ausschnitt seines Hemdes war ein Anhänger gerutscht. So unscheinbar die Lederschnur war, an der es hing, so kostbar glänzte es im Feuerschein. Ein goldenes Kreuz. War er etwa … ein Christ? Caitlín konnte nicht anders, sie musste das Schmuckstück berühren und bewundern. Es war von
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