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Der schwarze Tod

Der schwarze Tod

Titel: Der schwarze Tod
Autoren: Katja Piel
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Brustkorb schwebte.
    „Vorsichtig“, warnte der Schinder. „Die meisten gestehen nicht mehr, wenn der Brustkorb einmal zerbrochen ist.“
    Die Gehilfen packten die Seile links und rechts und ließen die Walze langsam auf Peter herunter. Als die Dornen sein Fleisch aufbrachen, formten sich Worte aus seinem schrillen Gekreisch.
    „Ich gestehe! Ich gestehe alles!“
    Der Inquisitor gab ein Zeichen. Die Walze wurde hochgefahren und die Zahnräder der Streckbank gelöst. Heulend, blutüberströmt und mit zerstörten Gliedmaßen sank Peter auf die Bank zurück.
    „Ich gestehe, was ihr wollt! Unzucht mit dem Teufel! Ja, ich habe mich mit dem Teufel verschworen!“
    „Und du bist mit ihm durch die Luft geritten?“
    „Ja! Ja!“
    „Und er hat dir einen Gürtel gegeben, mit dem du deine Gestalt verändern kannst? Hat er dich zum Werwolf bezaubert?“
    Für einen Augenblick hatte Katharina den Eindruck, dass etwas wie Klarheit in Peters Blick einkehrte.
    „Der Wolf sitzt in der Seele“, sagte er. „Und er frisst deine Seele auf. Der Teufel pflanzt ihn dir ein, und dann schaut er zu, wie du sein Werk verrichtest.“
    „Gesteht unter peinlicher Befragung den Bund mit dem Teufel“, sagte der Inquisitor in Richtung des Schreibers. „Ritt durch die Luft, Unzucht mit den Konkubinen des Teufels, und so weiter. Der Hexer gesteht darüber hinaus, ein Werwolf zu sein und nach Belieben seine Gestalt wandeln zu können. Die vierundzwanzig Morde?“
    Diese Frage ging zu Peter hinunter. Der Schinder umfasste den Hebel.
    „Ja! Ja!“, schrie Peter. „Alles! Ich gestehe alles! Ich bin ein Menschenfresser, ein Monster, ich bin vom Teufel besessen!“
    „Das reicht.“ Der Inquisitor strich sich über seinen kahlen Kopf. „Zeit fürs Mittagessen. Wenn wir die Dirne heute Nachmittag noch befragen, können wir morgen schon hinrichten. Wird Zeit, dass wir wieder Platz schaffen in den Zellen.“
    „Nicht nötig“, sagte Katharina. Ihre Stimme zitterte kaum. „Ich gestehe, was Ihr wollt.“
    Der Inquisitor nickte anerkennend.
    „Das ist gut für dein Seelenheil, Hexe. Und spart uns einen Haufen Zeit. Also, neues Protokoll. Den Tag nach Sankt Beda Venerabilis, um die Mittagsstund, Befragung der Hexerin Katharina Pfahlmann zu Bedburg...“

    Sibil wusste nicht, wie lange sie schon so an der nassen Kellerwand saß, die Finger in den Ohren. Sie war völlig ausgekühlt und rückte doch lieber, so nah es ging, an die Wand als an ihre Mitgefangenen: eine Greisin, die reglos auf dem Boden lag und vielleicht schon tot war, eine Schwachsinnige, die andauernd lallte und den Kopf gegen die Gitterstäbe schlug, und eine verwachsene junge Frau mit Klumpfuß und Buckel. Sibil kannte sie vom Sehen, sie hatte immer auf dem Markt gebettelt.
    „Du musst gestehen“, hatte die Bucklige Sibil eingeschärft. „Nur so kannst du die peinliche Befragung vermeiden. Und wenn du ein bisschen nett zu den Schergen bist, dann enthaupten sie dich vielleicht, bevor sie dich verbrennen.“
    Sibil hatte entrüstet jede Schuld von sich gewiesen. Ihr Vater war ein Hexer, das mochte sein, aber sie selbst hatte nie etwas mit dem Teufel zu schaffen gehabt!
    Dann hatte man sie zur gütlichen Befragung geholt. Aus dem Raum nebenan war ein Kreischen zu hören gewesen – so bizarr, so fremd, dass sie nicht hätte sagen können, ob Mensch oder Tier dort gequält wurde. Man hatte ihr probeweise die Daumenschrauben angelegt, um zu sehen, ob ihre dünnen Finger für dieses Instrument der Wahrheitsfindung geeignet waren. Da hatte Sibil gestanden.
    Jetzt saß sie im Kerker und wusste nicht, ob die den Tag der Hinrichtung fürchten oder herbeisehnen sollte. Sie war ausgezehrt und völlig durchgefroren. Die Bucklige hatte ihr schmutziges Wasser aus einer Schale zu trinken gegeben – ein Teil ihrer eigenen, kümmerlichen Ration. Schnell hatte sich hier unten herumgesprochen, dass Sibil niemanden hatte, der sie mit Wasser und Nahrung versorgte.
    Das andauernde Stöhnen, Weinen und Schreien der Gefangenen drang auch durch die Finger in ihre Ohren. Die Geräusche würden sie bis an ihr Lebensende begleiten und ihr vielleicht vorher noch den Verstand rauben.
    Eine Weile wartete sie vergeblich, dass man Katharina zu ihr zurückbrachte. Sie wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, seit die Wachen ihre Ziehmutter mitgenommen hatten. Manchmal gelang es Sibil, ein wenig zu schlafen, doch schlimme Träume jagten sie zurück in eine Wirklichkeit, die noch viel schlimmer
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