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Der schwarze Tod

Der schwarze Tod

Titel: Der schwarze Tod
Autoren: Katja Piel
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die nur einen faulen Zahn."
"Mattis..." Sie hob die Hände und ließ sie wieder fallen. "Ich kann nicht. Ich habe eine Verantwortung."
"Du kannst den Leuten nicht helfen. Niemand kann das."
"Aber ich kann ihr Leiden verkürzen."
"Und das erlaubt dir dein ärztliches Gewissen?"
Rosa ließ die Frage unbeantwortet. Noch vor drei Monaten hatte sie Babys auf die Welt geholfen, Schwangerschaftsübelkeit und Stillprobleme behandelt, einen leichten Schnupfen oder ein Fieber kuriert. Das einzige, was sie derzeit in ihrer Kräuterküche zubereitete, waren Tinkturen, die einen Menschen auf sanfte Art für immer einschlafen ließen. Sie verabreichte diese Medizin nie selbst. Sie ließ einfach das Fläschchen auf dem Tisch stehen.
    Mattis hatte recht. Es gab keine Heilung. Niemand überlebte, den der schwarze Tod getroffen hatte.
"Lass uns zu Imagina gehen", drängte Mattis. "Nur bis zum Herbst. Bis die Lage sich beruhigt hat."
Sie strich sanft über seine Wange.
"Du kannst gehen. Ich halte dich nicht fest. Ich bleibe noch ein bisschen."
"Du glaubst doch nicht, dass ich dich hier alleine lasse", schnaubte er und drückte sie unsanft an sich.
Nein, das glaubte sie nicht. Er hatte seine Ziegen aufgegeben, um sie in die Stadt zu begleiten, damit sie sich um die Frauen kümmern konnte. Irgendwann, in einer anderen Zeit, würde sie dafür mit ihm Ziegen hüten. Doch die Zeit war noch nicht gekommen.
    "Hast du Hunger?", fragte er. "Es gibt noch Ziegenkäse und einen Kanten Brot. Vielleicht ein paar Eier, wenn ich die Nachbarin bitte. Sie hat mir noch nichts gezahlt dafür, dass ich ihr Dach repariert habe."
"Ja", sagte Rosa und lächelte. "Riesenhunger. Ich verschlinge alles, was du mir vorsetzt."
Mattis nickte und drückte ihre Schultern.
"Ich gehe Eier holen. Gleich wieder da."
    Er verschwand nach draußen, und sie ließ sich aufatmend auf einen Hocker fallen. Sie streifte ihre Schuhe ab und schob sie unter den Tisch. Ihre Füße waren wund und schmerzten von den weiten Wegstrecken kreuz und quer durch die ganze Stadt. Es gab immer weniger Ärzte. Hätte sie gewollt, sie hätte rund um die Uhr arbeiten können.

2. Kapitel
    Köln im Sommer 1606
    « Ich bin nicht deine Mutter, Johann. Mach was du meinst »

    Mattis? Warum kam er nicht einfach rein?
Für einen Augenblick zögerte sie, zu öffnen. Sie war müde. Sie hatte genug Tod und Krankheit gesehen für einen Tag.
Es klopfte erneut. Rosa zog sich auf die Füße und ging öffnen.
Besuch aus einer anderen Welt, einem anderen Leben. Blond, hochgewachsen, strahlend vor Glück.
    "Rosa!"
"Anna! Anna, du meine Güte, was machst du denn hier!"
Rosa taumelte, als Anna sich ihr an den Hals warf. Sie drückte die junge Frau an sich und wiegte sie in ihren Armen.
"Endlich hab ich dich gefunden, Rosa!"
"Anna, Mädchen, woher kommst du? Was machst du hier in der Stadt?"
Anna nahm Rosas Gesicht in die Hände und gab ihr einen schmatzenden Kuss auf jede Wange.
"Freust du dich denn gar nicht, mich zu sehen?"
"Doch! Ich freue mich! Nur ... die Stadt ist gerade nicht der beste Ort für dich."
Ratlosigkeit malte sich auf Annas Zügen. Sie war genauso schön, wie Rosa sie in Erinnerung hatte, nur reifer. Die letzten Reste Kindlichkeit waren verschwunden, und eine zauberhafte junge Frau war erblüht.
    "Das haben wir schon gemerkt."
"Wir?"
Anna machte sich los und deutete auf die Tür, wo ein junger Mann im Türrahmen stand, etwas linkisch, und die Begrüßung der beiden Frauen beobachtete.
"Johann. Mein Reisegefährte. Ich habe ihn weiter flussabwärts kennengelernt."
"Verstehe. Grüß dich, Johann."
Rosa streckte dem jungen Mann die Hand entgegen, die dieser bereitwillig ergriff. Er war hübsch, mit einem klaren, bartlosen Gesicht und fransigen dunklen Haaren. Sommersprossen sprenkelten seine hellen Wangen, und sein Händedruck war fest.
"Grüß dich, Rosa. Ich habe schon viel von dir gehört."
Rosa nahm seine Witterung auf: Mensch. Nichts als Mensch.
"Kommt herein, ihr beiden. Fühlt euch wie zuhause."
Anna und Johann legten ihr spärliches Gepäck ab und setzten sich an den Tisch. Während Rosa die letzten Vorräte herausholte und ihre Gäste bewirtete, ließ sie Anna erzählen. Es war eine lange, durchweg gelogene Geschichte von Eltern, deren Mühle abgebrannt war. Sie würden sich unter vier Augen sprechen müssen, damit Rosa erfuhr, wie es Anna seit ihrem überstürzten Aufbruch aus Imaginas Haus ergangen war. Etwas über ein Jahr war das nun her.
    "Und wer bist du?", fragte sie
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