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Der Schwarze Mandarin

Der Schwarze Mandarin

Titel: Der Schwarze Mandarin
Autoren: Heinz G. Konsalik
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spielen. Im Flughafen von München erreichte es die Crew der staatlichen chinesischen Fluggesellschaft CAAC, daß man ihnen die Passagierlisten der Flüge der drei letzten Tage zeigte. Das war zwar nicht erlaubt, aber unter Flugkameraden … was soll's? Es war ein voller Erfolg. Auf einer Liste der Swiss-Air stand der Name Hans Rathenow. Wang Liyun war nicht eingetragen, aber vier andere chinesische Namen, die uninteressant waren. Nur – der Fluggast Rathenow war nicht zum Abflug erschienen, die Maschine ohne ihn nach Zürich geflogen.
    Für Min war das ein erster Hinweis. Die Schweiz. Natürlich die Schweiz! Da fühlte man sich sicher und war nahe an Deutschland.
    Min rief seinen Freund, den Daih-Loh der Schweiz, in Luzern an. Er schickte ihm per Fax Fotos von Rathenow und Liyun und sagte am Telefon:
    »Es sind Verräter.«
    »Verstanden, Bruder. Wir kümmern uns um die beiden.«
    Die Schweizer Triaden wurden in Alarmbereitschaft versetzt. Das Foto Rathenows und Liyuns wurde vervielfältigt und hundertfach verteilt. Die große Jagd begann. Die Jagd auf einen Ehrlosen, wie Min gesagt hatte. Ihm würde kein langes Leben bleiben – die Augen der Triaden waren überall.
    Wie es seine Pflicht war, meldete Min den Vorfall auch per Fax dem großen Gao Lao in Hongkong. Er schrieb dazu: »Es ist meine Schuld, ich gestehe es. Ich habe mich in Hong Bai Juan Fa getäuscht oder besser gesagt: Er hat mich getäuscht. Das große Experiment ist mißlungen. Wir haben daraus gelernt, nie einem Weißen zu trauen. Nur ein Chinese kann unser wirklicher Bruder sein …«
    Die Antwort aus Hongkong erfolgte zwei Tage später. Auch per Fax. Sie lautete:
    »Verehrter Bruder Min Ju. Der Große Rat hat Dein Versagen mit großem Kummer aufgenommen. Wir sind sehr traurig. Aber Dir gebührt Freude: Du wirst dem Geist Deiner Ahnen folgen und als ein klügerer Mensch wiedergeboren werden. Die Reinheit des Ewigen wird dem Schmutz Deines Irdischen folgen. Wir grüßen Dich, Min Ju.«
    Und unter den Text, ein kalligraphisches Meisterwerk – selbst Todesurteile waren in der chinesischen Tradition kleine Kunstwerke – hatte der Maler ein schönes, naturgetreues Ohr gemalt.
    Für einen Triaden das Symbol des Todes.
    Als das Fax in Mins Büro unter dem ›Schwarzen Mandarin‹ einlief, saß Ninglin neben ihm und sah und las den Text des Gao Lao von Hongkong ebenfalls. Nicht Min, sondern Ninglin legte das Blatt auf den Tisch und sah Min Ju mit harten Augen an. Der Blick des Vollstreckers.
    »Ich habe mich geirrt«, sagte Min Ju mit fester Stimme. »Ich habe mich oft geirrt – ich war zu gütig zu dieser Welt. Ninglin, gehen wir …«
    Wie immer trug er seinen schwarzen Anzug, ebenso wie Ninglin – es war die Uniform der 14K von München, von den anderen Chinesen die ›Schwarzen Mandarine‹ genannt und ängstlich verehrt. Mins Schritte waren fest und sicher, kein Stocken oder Zögern zeigte an, daß es sein letzter Gang war. Im Tempel vor dem goldenen Buddha blieb er stehen, legte die gefalteten Hände an die Brust und verbeugte sich tief. Dann zündete er sieben große Räucherstäbchen an und steckte sie in den goldenen Topf.
    Eine Minute versank er in einem Gebet. Als er sich umdrehte, stand Ninglin hinter ihm, das Kaiserschwert in beiden Händen.
    »Triff genau, Ninglin!« sagte Min Ju mit einer Stimme, die schon dem Irdischen entglitt. »Du warst ein guter Bruder. Tu jetzt deine Pflicht.«
    Min Ju kniete vor dem goldenen Buddha nieder, beugte den Kopf weit hinunter und bot seinen dicken, glänzenden Nacken dar, in den jetzt doch der Schweiß lief. Er schloß die Augen und stützte sich mit beiden Händen auf dem roten Teppich ab.
    Ninglin hob das Schwert, schwang es weit empor und fixierte mit starrem Blick Mins Nacken, und das Flackern der Öllampen zuckte über dem blanken Stahl und dem edelsteinbesetzten Griff. Ninglin hielt den Atem an – und dann sauste das Schwert mit ungeheurer Kraft herunter und trennte Mins Kopf vom Rumpf. Ein Blutstrom schoß gegen den Altar. Mins Körper stürzte nach vorn. Der schwarze Anzug war schnell von Blut durchtränkt.
    Mit unbewegtem Gesicht trat Ninglin neben Min Ju, hob seinen Kopf an den Haaren auf, streckte ihn dem goldenen Gott entgegen und legte ihn dann zwischen die Füße des Heiligen aller Heiligen.
    Die blutige Klinge des Schwertes vor sich her tragend, verließ Ninglin den Tempel. Sein Schritt war fest und bestimmt, als marschiere er in einer Parade. Erst in Mins Büro verließ ihn die Starre. Er
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