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Der schwarze Dom

Der schwarze Dom

Titel: Der schwarze Dom
Autoren: Christopher Pike
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Schöpfer. Er ist der, der uns erschaffen hat. Er ist der, der dich erschaffen hat.«
    »Wir haben aber keinen Gott«, sagte Cessy.
    »O«, machte Tracie. Mit einemmal fiel es ihr schwer zu denken, schwer, überhaupt nur noch klarzusehen. Eine dünne, lichtdurchlässige Schicht Schwarz verschleierte ihren Blick, als schaue sie nicht nur Cessy in die Augen, sondern auch aus ihnen heraus. Die Farben der Kirche veränderten sich für sie, wurden paradoxerweise satter und zugleich stumpfer. Sie vermochte weit mehr Details zu erkennen als vorher, und doch konnte sie nicht fühlen, was sie sah. Die lichtdurchlässige Schicht war wie eine harte Glasplatte, hielt alles in der Entfernung.
    »Das sind doch Albernheiten«, sagte Davey.
    Cessy achtete nicht auf ihn. »Warum, sagst du, hat er uns erschaffen?« fragte sie.
    »Es gibt nur einen Gott«, sagte Tracie.
    »Und das ist seine Mutter?« fragte Cessy.
    »Die Mutter seines Sohnes«, erläuterte Tracie.
    »Hatte sie magische Kräfte?« fragte Cessy.
    »Ich glaube schon«, murmelte Tracie. Warum konnte sie nicht wegschauen? Und was sagte Cessy? Das waren ihre Worte, natürlich, aber das war noch nicht einmal die Hälfte. Tracie kam es vor, als flossen zwei Bewußtseinsströme in ihrem Gehirn. Der normale, der ohne Anstrengung mit ihren eigenen Gedanken vorantrieb, und dann noch dieser andere, ein träger Sumpf voll stinkender Pflanzen, aber auch machtvoll, mit dem Gewicht eines unter ihm verborgenen Urmeeres.
    Und einem ausbrechenden Vulkan daneben.
    Tracie sah Feuer. Vernichtend. Es erfüllte ihr Gehirn.
    »Ich möchte dieser Mutter eine Kerze anzünden«, sagte Cessy.
    »Warum denn?« fragte Davey mißtrauisch.
    »Um diesen Segen zu spüren«, antwortete Cessy.
    »Das ist ein leerer Brauch«, sagte Davey.
    »Vielleicht hat er seine eigene magische Kraft«, sagte Cessy und warf ihm einen berechnenden Blick zu, der darauf ausgerichtet zu sein schien, sein Mißtrauen noch zu verstärken. »Wenn du Angst hast, brauchst du ja nicht mitzumachen.«
    Als Cessys Blick zu ihrem Bruder hinüberwanderte, spürte Tracie, wie der Bann sich von ihr löste, und sie begriff endlich, wofür er gedacht war. Doch ein Teil von Cessys Wesen verblieb in ihrem Inneren. Das Feuer loderte nach wie vor.
    Der Blick in Cessys Augen hatte ihr einen Eindruck von der wahrhaften Macht dieser Kreatur vermittelt. Tracie zitterte heftig. Ihr war, als könne sie fliegen, wenn sie es nur wirklich wollte.
    Als Cessy auf seine Feigheit anspielte, wurde Davey noch wütender. »Du bist schwierig in letzter Zeit«, sagte er.
    »Bin ich das?« fragte sie spöttisch zurück.
    Seine Züge waren kalt. »Denk daran, wer dich hierhergeholt hat.«
    »Denk daran, wer ich bin«, sagte Cessy. Sie war jetzt genauso kalt.
    Bei dieser Bemerkung zuckte er zurück. »Es wird spät.«
    »Ich will die Segnung spüren«, wiederholte Cessy. Aus ihrem Mund klang dieser Wunsch wie eine Gotteslästerung. Ihr Blick streifte Paula und nahm nun sie ins Visier, sie sprach jedoch weiterhin mit ihrem Bruder. »Machst du mit?«
    »Ja«, flüsterte Paula so leise, daß es Tracies Meinung nach selbst Davey nicht gehört haben konnte. Davey wies auf das Kreuz und die Statue.
    »Sie waren bloß Menschen wie die anderen auch«, meinte er. »Sie sind tot.«
    Cessy zeigte auf Christus. »Ich hab’ gehört, der hier ist zurückgekehrt.«
    »Daran glauben nur Schwachköpfe«, sagte Davey.
    »Vor langer Zeit waren wir einmal Schwachköpfe«, sagte Cessy. Ihre kalten Augen ließen nicht von Paula ab. Die Flasche hielt sie noch immer in der rechten Hand. »Das frage ich mich.«
    Wieso behält sie immer noch diese Flasche in der Hand?
    Der Grund dafür schwebte am Rand von Tracies Bewußtsein, drang aber nicht nach innen.
    »Was fragst du dich?« wollte Davey wissen.
    Cessy ließ sich viel Zeit mit der Antwort. Als sie schließlich jedoch auf seine Frage reagierte, wandte sie sich ab von Paula und schenkte Davey ihre volle Aufmerksamkeit.
    »Ich frage mich«, sagte Cessy, »wovor du wohl Angst hast.«
    »Bist du okay?« flüsterte Tracie Paula zu.
    »Ja, bin ich«, gab Paula unerwartet entschlossen zurück.
    »Ich habe vor überhaupt nichts Angst«, sagte Davey.
    »Das ist nicht dein Ort hier«, sagte Cessy. »Du brauchst nicht mitzumachen.«
    Davey überlegte einen Moment lang. Dann nickte er und trat einen Schritt vor. »Ich behalte dich im Auge«, warnte er sie.
    »Gut so«, sagte Cessy und wandte sich Paula und Tracie zu. »Helft uns.«
    Sie
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