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Der Schuss nebenan Kommissar Morry

Der Schuss nebenan Kommissar Morry

Titel: Der Schuss nebenan Kommissar Morry
Autoren: Hans E. Koedelpeter
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dem Leutnant durch den Sinn. Noch ist nicht bewiesen, daß er ein Verbrecher ist. Bis dahin hat er das Recht auf eine korrekte Behandlung. Wie konnte ich mich nur dazu hinreißen lassen, eine so unqualifizierte Äußerung zu tun? Der Kerl bringt mich eben auf die Palme!
    „Vielleicht haben Sie nicht ganz unrecht", meinte Lord Bramsey, ohne daß seine Stimme Ärger oder Empörung verriet. „Aber warum sollte ich Gefühle heucheln, die ich nicht empfinde ... und mich einem Mann gegenüber rechtfertigen, den ich nicht kenne?"
    Random wurde abermals rot. „Ich muß mich bei Ihnen entschuldigen. Die Äußerung war dumm. Sie ist mir nur so über die Lippen gerutscht."
    Lord Bramsey winkte ab. „Sie befinden sich in bester Gesellschaft, wenn Sie so etwas behaupten. Ich könnte Ihnen ohne Mühe zwei Dutzend sehr bedeutender Leute aufzählen, die ganz ähnlich über mich urteilen."
    „Und... es macht Ihnen nichts aus?" erkundigte sich Random, plötzlich von persönlicher Neugier überwältigt.
    „Nicht das geringste."
    „Dann — verzeihen Sie — muß es stimmen, daß Sie kalt und herzlos sind!"
    „Ich habe einmal auf offener Straße einen Mann verprügelt, der seinen Hund quälte, ich habe schon mehrere Burschen geohrfeigt, die ihre Mädchen zu demütigen versuchten. Ich habe... nun, das alles würde wohl zu weit führen. Sie sehen, daß ich durchaus in der Lage bin, mich für gewisse Dinge zu engagieren. Dinge, die mit dem Gefühl sehr eng Zusammenhängen. Aber wenn man meinen nicht bestrittenen Hang zur Spottlust einmal beiseite lassen will, gibt es nichts, was ich so sehr hasse wie die Heuchelei. Meine Eltern haben mich in einem streng geführten Internat erziehen lassen. Jahrelang habe ich sie nur im Urlaub und zu Weihnachten gesehen. Sie haben mir niemals Liebe, sondern immer nur das entgegengebracht, was sie eine standesgemäße Erziehung nannten. Ist es ein Wunder, daß ich dagegen aufbegehrte und rebellierte? Zwischen meinen Eltern und mir gab es keine echte gefühlsmäßige Bindung. Niemand bedauert das mehr als ich. Aber liegt die Schuld allein bei mir?
    Jetzt, wo sie tot sind, können Sie nicht verlangen, daß ich eine Trauer heuchle, die ich nicht empfinde."
    „Und wie steht es mit Ihrer Verlobten?" fragte Random.
    „Pamela? Sie war ein ungewöhnlich schönes und geistvolles Mädchen. Ich glaube, daß ich sie auf meine Weise geliebt habe. Als ich freilich entdeckte, daß sie nicht in der Lage war, diese Liebe zu erwidern, kühlte auch meine Neigung ab. Ich fürchte, daß sie zur Frigidität neigte."
    „Hm, Sie ahnen vermutlich, warum ich gezwungen bin, diese Fragen an Sie zu richten?"
    „Aber ja! Ich kenne die guten Leute von Roundhill und Umgebung lange genug, um zu wissen, daß sie mir wieder einmal durch törichte Verdächtigungen einen Strick zu drehen versuchen. Ich begreife allerdings nicht recht, wie sich die Polizei von diesen blindwütigen Eiferern verführen lassen konnte, die Beschuldigungen ernst zu nehmen."
    „Sie wissen ja, wie das ist", hörte Random sich verlegen antworten. „Ich selbst habe natürlich keine Sekunde daran geglaubt!"
    „Sie machen mich sehr glücklich, Leutnant!"
    Da war er wieder, dieser leise, unerträgliche Spott! Das Gefühl der Wärme und Zuneigung, das Random ganz plötzlich und überraschend für seinen aristokratischen Gesprächspartner empfunden hatte, wich einer leichten Gereiztheit.
    Random stand auf. „Ich werde meiner Behörde von Ihrer Aussage Mitteilung machen", meinte er frostig. „Natürlich ist es nicht ausgeschlossen, daß man Sie nochmals verhören wird."
    Der Lord erhob sich gleichfalls. „Ich bin zwar ein Gegner der Langeweile, aber Polizeiverhöre betrachte ich keineswegs als besonders erstrebenswerte Zerstreuungen!"
    Random machte eine knappe Verbeugung und verließ das Zimmer. Draußen öffnete er den obersten Knopf seines Hemdes. Er hatte sich noch nie so unwohl gefühlt wie in Lord Bramseys Gegenwart. Bramsey klingelte unterdessen dem Etagenkellner. Er bestellte eine Flasche französischen Champagner und blickte sich dann wie suchend
    im Zimmer um. Als er das Telefon entdeckte, ging er darauf zu und nahm den Hörer ab.
    „Verbinden Sie mich bitte mit Arturo Rodrigez", sagte er, nachdem sich die Dame aus der Vermittlung gemeldet hatte.
    Die junge Dame am Apparat wußte genau, welcher Gast das Appartement 34 innehatte. Und weil sie sich nicht vorstellen konnte, daß ein Lord, ein richtiger Lord, mit einem Gangster vom Schlage des
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