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Der Schritt hinueber - Roman

Der Schritt hinueber - Roman

Titel: Der Schritt hinueber - Roman
Autoren: Franz Tumler
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es mich jetzt, und macht mir Angst: mit meinen beiden Augen.
    Einstweilen war aber erst nur das eine starre Auge des Kolja in dem runden Guckloch, und sie spürte nicht das Gesicht dahinter, sondern den keuchenden, von Schnaps dampfenden Mann, vor dem sie sich fürchtete. Trotzdem nahm sie sich nun zusammen. Sie trat vor, tastete nach dem hölzernen Riegel und schob ihn zurück. Wie von einem Windhauch lautlos geöffnet schwebte der große Torflügel auf.
    Das war ein Stück Schlauheit, aber wie hatte sie es auch nur gewagt, – so erzählten es später die beiden Flüchtlinge: denn natürlich hätte sich dieser Unmensch Kolja in seiner Berserkerwut nicht abhalten lassen, ins Haus einzudringen. Umgekehrt konnte man damit rechnen, daß er richtig zu suchen gar nicht imstande war, – aber ob er sich nicht plötzlich ernüchterte – und dann – was hatte sich die Frau eigentlich zugetraut? Kommen Sie mit, Kolja, sagte sie und legte, als er sich vortastete, ihre Hand auf seinen Arm, wir wollen also suchen!
    Aber Kolja stieß ihr die Hand zurück. Nichts kommen Sie mit, sagte er, nichts mit dir, Hurenmensch, versteckt Leute! Und dann verlangte er, daß ihm Susanna den Bauern herbringe.
    Bemelman war längst wach in seiner Kammer. Aber er hatte sich dort ruhig verhalten wie ein Sack, und als ihn Susanna nun herausklopfte, fürchtete er sich sehr. Und des Bauern Weib rang die Hände und jammerte: Er schießt dich tot! Susanna sagte: Er schießt ihn nicht tot. Er schießt niemand tot. Wir müssen bloß sehen, daß er nicht in die Scheune kommt!
    Soviel begriff dann auch Bemelman, als er unten in den Hof trat in Hemd und Hose und mit knallenden Holzschuhen. Er sah, daß dieser betrunkene Kolja rechts und links nicht unterscheiden konnte, sich aber trotzdem aufplusterte zu einer komischen Würde. Da war nicht mehr seine Kosanna, da war dieses Hurenmensch, und er war nicht mehr der gute Kolja, sondern war Kolja, der unbestechliche und strenge Soldat, der hier nach seiner Dienstvorschrift handelte, indem er nach versteckten Leuten fahndete. Dieses Bewußtsein nahm ihn ganz ein; und das machte ihn dumm. Er sah grimmig drein und versuchte, Haltung zu bewahren, er fuchtelte mit seiner Pistole herum und behandelte den Bauern wie einen Wurm. Und der tat das Klügste: er benahm sich wie ein Wurm. Er winselte und krümmte sich und beteuerte, daß er nie jemand versteckt, daß er, ein Wohlgesonnener, doch sogar immer Sachen herausgegeben habe, neulich erst, als die junge Frau zu ihm aufs Feld gekommen sei.
    Nichts mehr die junge Frau! schrie Kolja und stürmte wütend voran. Er taumelte und fiel über einen Rechen, der Rechenstiel schlug ihm gegen die Stirn, vor Wut brüllte er auf, seiner Würde war das nicht eben zuträglich. Und Bemelman nützte es aus. Nun war er es, der den Leutnant an der Hand faßte und ihn, obacht, hier ist die Senkgrube, über das schwankende Brett geleitete, und dann sagte, hier ist der Stall, der Kuhstall, der Saustall, der Hühnerstall, ah, da hinein wollen Sie auch noch, ja, Sie müssen überall nachsehen, hier das ist der Roßstall, nein, nach außen ist zu, der Riegel ist vor, fort sind die nicht, wenn welche da waren, aber es war ja gar niemand da, hoppla, das ist wieder der Rechen – und Kolja mußte sich stützen auf den Bauern; der ächzte, aber er ließ es sich gern gefallen. Er schleppte den betrunkenen Mann quer ab über den Hof. Und hier gehts in den Keller, aber geben Sie acht, daß Sie nicht fallen, da sind Stufen, und pst, da hat sich etwas gerührt, aber ja, das sind Ratten, das ist so bei uns, Ratten, Feldmäuse, die spüren voraus, daß der Herbst kommt, da gehen sie ins Haus, das wohnt alles bei uns, Igel, Feldmaus, Fledermaus, Maulwurf, aber keine Leute, und hier ist auch etwas zum Trinken, Obstschnaps.
    Kolja ließ sich den Schnaps einflößen, er lehnte sich gegen die nasse Kellerwand. Als er dann wieder gehen wollte, rutschte er auf dem glitschigen Lehmboden aus, er fluchte und kroch die Stufen in die Höhe, im Flur fiel er auf die Bank. Einen Augenblick sah es so aus, als wollte er einschlafen, aber dann richtete er sich auf und schüttelte ein paarmal den Kopf und nun sah er aus wie ein großes wildes Kind, das traurig und benommen nicht weiß, wohin es in die Irre gegangen ist. Er fragte:
    Wo ist Kosanna?
    Bemelman wußte, daß Frau Jorhan nebenan in der Stube hinter der Tür stand. Aber er sagte: Ich glaube, sie ist draußen bei Ihrem Pferd, sie hält Ihr Pferd fest.
    So brachte
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