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Der Schritt hinueber - Roman

Der Schritt hinueber - Roman

Titel: Der Schritt hinueber - Roman
Autoren: Franz Tumler
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er den schrecklichen Kolja wieder vor die Haustür. Ein Stück Schlauheit und Wagemut war auch dies nach Ansicht der beiden Flüchtlinge, natürlich Wagemut, denn wie leicht hätte es schlimm ausgehen können auch für den Bauern! Den zweien hatte das Herz in harten Stößen gehämmert, an den Gliedern hatten sie gezittert wie unter Schlägen, der Atem hatte sie in der Kehle gewürgt. Sie hatten den ganzen Vorgang miterlebt in ihrem Heunest, sie hatten angestrengt gehorcht. Nicht alle Reden und Einzelheiten hatten sie verstanden und nicht alles Hin und Her durch Ställe, Kammern, Flur und Keller wahrgenommen, aber im ganzen hatten sie begriffen, wie Bemelman mit Kolja fertig geworden war: ein unterwürfig jammernder kleiner Bauer mit einem betrunkenen wütenden und sich zu Stolz aufblähenden großen Soldaten, und endlich war er also draußen, der Feind; war ausgesperrt, und sie konnten aufatmen.
    Aber nun geschah etwas, das sie sich nicht erklären konnten. Sie sahen es ja nur undeutlich durch das Astloch in der Scheune und hörten von den Reden auch nur das Geräusch und nicht die einzelnen Worte. Aber was geschah, darüber konnten sie sich nicht täuschen. Und auch Bemelman sah es hinter dem Fensterladen seiner Schlafkammer; sie alle drei sahen es und konnten es nicht begreifen.
    Gewiß, daß sich Kolja draußen noch umtrieb und eine Zeitlang auch wieder schrie und von Anzünden brüllte, das war zu begreifen; – ihm kam alles ein wenig durcheinander, und die frische Luft brachte ihn zu Munterkeit. Und auch daß er noch einmal gegen das Fenster der Wohnstube trommelte, und die junge Frau diesmal vortrat und mit ihm redete, lange Zeit, das war ebenfalls zu begreifen, er hätte ihr nun ja doch nicht geglaubt, daß sie schliefe. Aber dann geschah das Unbegreifliche: Kolja trat an die Haustür, und Susanna ging zu ihm hinaus. Sie hatte wie zuvor ihr gelbes Nachthemd an, nun hatte sie ihren Schlafrock darüber angezogen, das lange Hemd stand ihr unten um den breiten Saum vor bis zu den Knöcheln, so trat sie mit Kolja hinaus auf den mondbeschienenen Weg und ging mit ihm hinüber in den Schatten des Nußbaums neben der Holzhütte. Und wieder eine lange Zeit verging, in der Bemelman aus seinem Fenster blickte und die zwei Versteckten abwechselnd durch das Astloch spähten. Dann hörten sie, wie aus großer Entfernung, so als ob das Geräusch aus der Luft herabkäme, den Hufschlag von Koljas Pferd, und eine Weile später sahen sie Frau Jorhan zurückkommen.
    Sie klinkte die Haustür auf, trat ein und hatte wohl ganz ruhig wieder zugeklinkt – als käme sie am hellichten Tag nur eben von draußen herein.
    Aber von diesem Augenblick an blieb ihnen allen dreien nicht Zeit nachzudenken. Dem Bauern nicht, weil Susanna nun gleich bei ihm an der Falltür klopfte und sagte, die zwei Versteckten müßten jetzt fort, ja, jetzt, noch in dieser Nacht! Und den beiden nicht, weil nun auch schon Bemelman zu ihnen in die Scheune kam und ihnen dasselbe sagte: Ihr müßt weg, ihr müßt sehen, wie ihr durchkommt durch den Wald, ihr müßt hinüber, aber sofort!
    Wer sagt das?
    Die Frau!
    Sie schlichen über den Hof in die Küche. Auf den Bauern wollten sie sich nicht recht verlassen, sie wollten mit Susanna sprechen. Aber wie sollten sie das anstellen, durften sie zugeben, daß sie den nächtlichen Auftritt mit angesehen hatten? Da trat sie ihnen schon entgegen, sie sah blaß und elend aus und sagte es ihnen selber: Ja, ich war draußen bei ihm. Er wäre sonst nicht fortgegangen. Er hat gesagt, wenn Sie herauskommen, Kosanna, dann will ich glauben, daß niemand da ist. Aber wenn Sie nicht herauskommen, dann bleibe ich hier, und dann kommen morgen meine Leute, und dann suchen wir solange, bis wir die zwei finden. Da bin ich hinaus zu ihm, – und draußen, ja, ich habe ihm zugeredet. Jetzt ist er fort. Er kommt nicht wieder vor morgen abend!
    Die Flüchtlinge erschraken. Aber für sie in ihrer Angst und Eile und dem zwanghaften Vordenken, wie sie nun alsbald fortkommen sollten durch den Wald und zwischen den Posten hinüber auf die andere Seite, blieb es zunächst ein verworrenes Wort: ich habe ihm zugeredet. Erst später, als sie unterwegs waren, grübelten sie darüber nach. Er wäre sonst nicht fortgegangen, – ein einfaches Muß demnach sollte es für die Frau gewesen sein, dann wäre es ein Opfer gewesen? – es leuchtete ihnen nicht ganz ein. Die junge Frau hätte es doch auch geschickter anstellen können, hätte diesen Kolja am
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