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Der Schreiber von Córdoba

Der Schreiber von Córdoba

Titel: Der Schreiber von Córdoba
Autoren: Melanie Little
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antreten.
    Nächste Woche um diese Zeit
    werden wir uns getroffen haben!
      
    Señor Ortiz
    Unser Hausherr ist wieder zurück.
    Wir hören seine schweren Tritte poltern
    und den langen Mantel seines Dieners
    über den Boden schleifen.
    Die beiden schließen
    sich ein in den Zimmern
    oben in unserem Haus.
    In den besten, hellsten.
    Aber sie könnten ebenso gut
    hier unten neben uns sein.
    Die Luft verändert sich,
    wenn sie zu Hause sind.
    Es ist nicht mehr unsere.
      
    Der Gast (2)
    Amir kommt vom Brunnen herein,
    nachdem er sich die Hände gewaschen hat,
    und setzt sich zu uns an den Tisch.
    Señor Ortiz blickt auf und sieht ihn.
    Er pfeift durch die Zähne.
    Das Geräusch ist so hässlich
    wie das von Fußnägeln auf einer Fliese.
    Papa berichtet voll Eifer davon, wie es früher war.
    Dass die Muslime
    hier generationenlang regiert haben.
    So lange wie sieben Leben.
    Hunderte von Jahren!
    Dass es Springbrunnen in ihren Straßen gab.
    Dass sie Bäume pflanzten, von deren Früchten
    bis dahin noch kein Christ gehört hatte.
    Dass die Bibliotheken hier in unserer Stadt
    viel mehr Bücher besaßen, als Sterne am Himmel stehen.
    » Vierzigtausend , Señor – könnt Ihr Euch das vorstellen?
    Und dann haben wir Christen, als wir zurückkamen,
    ihnen die Kinder aus den Armen und sogar
    aus dem Bauch gerissen. Noch heute geschieht das.
    Amir wurde aus seinem Geburtsort geraubt
    und billig an Don Barico verkauft
    als wäre er nichts als madenverseuchtes Brot.«
    Señor Ortiz wirft krachend
    seinen Löffel hin. »Isidor,
    haltet mir keine Geschichtspredigt.
    Ihr hängt den alten Zeiten nach,
    aber die alten Zeiten sind vorbei.
    Wir führen Krieg, und Ihr nährt eine Schlange
    in unserem eigenen Nest.«
      
    Worte
    Der Mann mit den Pflanzen hat beschlossen,
    er brauche noch zwanzig Abschriften mehr,
    die er auf seine Reise
    nach Aragón mitnehmen will.
    Warum sollen die Aragonesen
    etwas über jedes einzelne Blatt
    in Kastilien lesen wollen?
    Niemand fragt danach.
    Jede weitere Abschrift
    ist eine gesicherte Mahlzeit.
    Aber jetzt meutert selbst
    Papa.
    »Papa«, frage ich ihn,
    »warum schreibst du nicht selbst Bücher?«
    (Er liebt doch schließlich Worte.
    Er sagt immer: A ist gleich B,
    und B ist gleich C.
    Warum schreiben wir in der Werkstatt
    nicht seine eigenen Worte?)
    Papa lächelt den Boden an,
    als stünde dort ein guter Witz.
    Aber einen Augenblick später
    ist er schon wieder ernst.
    »Es ist viel besser, gut und getreulich abzuschreiben,
    als schlecht zu erfinden«, sagt er.
    Wie oft habe ich das jetzt schon gehört?
    Ich denke, er sollte es versuchen.
    Und ich sehe, dass es sein Herz erwärmt, wenn er denkt,
    dass ich denke, er könnte das.
      
    Zittern
    Wir haben so viele Stunden lang abgeschrieben,
    dass meine Hand keine Hand mehr ist, sondern eine Klaue!
    Selbst meine Anfangsbuchstaben sehen aus, als hätte sie
    ein Kind von nicht einmal zehn Jahren geschrieben.
    Es sind nicht nur die Stunden.
    Meine Hand bleibt nicht ruhig.
    Ich denke an das, was Papa über das Trinken gesagt hat –
    und über Mädchen.
    Noch gieße ich Wasser in meinen Wein, also liegt es daran wohl nicht.
    Was die Mädchen betrifft …
    Also, das stimmt – heute Abend treffe ich Bea.
      
    Sauber
    Mama runzelt die Stirn über meine Tunika.
    Wieso? Es ist meine sauberste.
    »Dreh dich um.«
    Ah – da ist doch ein Fleck.
    (Schmutz sticht in Anwesenheit von Müttern
    viel stärker hervor.)
    Ich sehe nicht, was sie macht,
    aber etwas Breites, Starkes
    fährt mir kraftvoll den Rücken hinunter –
    wie die raue Zunge eines Riesen.
    Verblüfft drehe ich mich um.
    Sehe ich aus wie ein Fußboden?
    »Mach die Augen zu«, befiehlt sie mir.
    »Gleich staubt es.« Der Besen
    schrappt meine Vorderseite hinunter. Meine Tunika
    weist schwache schwarze Spuren auf.
    »So. Jetzt bist du sicher.«
    Aber sie bellt es.
    »Niemand kann sagen,
    deine Kleidung sei sauber
    für den falschen Sonntag.«
    Und wirbelt davon.
    Der Besen klappert zu Boden und klingt
    wie der höhnische Applaus
    beim Autodafé.
      
    Vorzüge
    Hier sitzen wir: ich und Bea.
    Bea – ich kann es kaum glauben – und ich.
    Ihre Hand liegt auf meiner. Ganz leicht,
    als sei sie gar nicht da.
    Aber sie ist da!
    Nur der Duft des Orangenbaums über uns
    beweist mir, dass ich nicht träume.
    Alles ist vollkommen. Dann – knurr!
    Mein Magen ist fast leer, wie immer.
    (Hätte doch der Mann mit den Pflanzen im Voraus bezahlt!)
    In einem süßen stillen Moment gurgelt und gluckert
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