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Der Schreiber von Córdoba

Der Schreiber von Córdoba

Titel: Der Schreiber von Córdoba
Autoren: Melanie Little
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sagen.
    Eines Tages kommt ein Mann,
    der zu Papa will.
    Als ich an die Tür gehe, um zu klopfen,
    höre ich das Geräusch meiner Albträume.
    Das Kratzen.
    Also waren es doch nicht die Teller!
    Das Geheimnis bleibt.
    Und Amir wird für würdig erachtet,
    daran teilzuhaben.
    Ich nicht.
      
    Wieder
    Ich verfluche die verschlossene Tür.
    Und versuche es noch einmal.
    »Was treiben die beiden denn
    wirklich, Mama?«
    »Ich habe es dir gesagt, Ramón.
    Sie üben.«
    Dann sehe ich ihre Tafeln.
    Dort drüben, ordentlich aufgeräumt
    neben dem Ofen.
    Wie können sie üben
    ohne die Tafeln zum Schreiben?
    Schließlich ist es nicht so,
    dass wir Papier verschwenden könnten!
      
    Büßer
    Sie gehen Tag und Nacht vorbei
    bekleidet mit langen gelben Gewändern, sanbenitos genannt.
    Die Büßer weinen, während sie sich durch die Straßen schleppen.
    Sie rufen zu Gott um Vergebung.
    Manche geißeln sich selbst den Rücken
    mit Peitschen voll grausamer Stacheln.
    Blut spritzt auf die Zuschauer am Rand,
    doch die scheint das nicht zu stören. Blut,
    das zur Buße vergossen wird, ist angeblich heilig.
    Manche versuchen sogar absichtlich, welches zu erhaschen.
    Aber am gruseligsten finde ich persönlich:
    Jeder Büßer und jede Büßerin trägt
    eine Kerze in jeder Hand,
    die nicht brennt.
    Ihre Anwesenheit ist wie ein böser Traum.
    Niemand darf sie grüßen.
    Das ist Teil der Strafe, die über sie verhängt wurde.
    Ihr glaubt vielleicht, sie hätten Glück.
    Sie haben einen Fehltritt begangen und sind nicht verbrannt worden.
    Aber ihre Ehre ist dahin. Sie werden nie mehr
    eine gute Arbeit bekommen. Und was sie an Geld hatten,
    hat das Offizium an sich genommen.
    Und das Schlimmste ist: Wenn sie die Strafe
    des Weinens und der Geißelung abgebüßt haben, werden
    ihre sanbenitos an den Wänden ihrer Kirchen aufgehängt
    und bringen für immer Schande über ihre Familien.
      
    Schwarz
    Wenn man unter der Folter
    immer noch nicht gesteht,
    bekommt man ein schwarzes Gewand.
    Das heißt, man wird verbrannt.
    Welche Farbe hätte wohl
    Papas sanbenito ?
      
    Bitte
    Zugegeben, er hat mich überrascht.
    Ich hatte schon den Verdacht, Amir wolle nichts im Leben,
    als neben Papa zu knien. Jedem Wink zu gehorchen,
    wie ein Page einem König dient.
    Aber er hat um Erlaubnis gebeten,
    weggehen zu dürfen. Nicht für immer. (So viel Glück hab ich nicht!)
    Aber für einen Nachmittag
    in der Woche.
    Er möchte zum Freitagsgebet
    in der Moschee am anderen Ende der Stadt.
    Papa ist einverstanden, aber er fuchtelt mit den Händen
    in der Luft herum. Das heißt, er ist aufgeregt.
    Oder vielmehr:
    Er hat Angst.
    Wenn nun Amir neue Freundschaften schließt und erzählt,
    was Papa in jener Wand hat?
    (Schließlich spricht er zwei Sprachen!)
    Oder vielleicht hat Papa Angst um Amir –
    fürchtet um seine Sicherheit.
    So wie er sich früher einmal
    nur um mich gesorgt hat.
    Ihr werdet sagen, ich hätte Selbstmitleid.
    Ist das nicht auch gerechtfertigt?
    Und tatsächlich sagt Papa:
    »Amir, du kannst gehen, aber Ramón
    muss mit dir gehen.«
    So wird also der Herr
    zum Diener des Sklaven gemacht!
      
    Blautöne
    Ich nehme alles zurück.
    Vergesst, dass ich mich beklagt habe.
    Allah sei gepriesen!
    Ich liebe diese Freitage.
    Heute wurde diesem Jungen hier
    ein echtes Wunder geschenkt.
    Ein Fleisch gewordener Engel.
    Das Mudéjar-Viertel liegt
    in einem Winkel von Córdoba,
    als wolle es sich verstecken.
    Vielleicht tut es das auch.
    Egal.
    Heute war der erste warme Tag
    dieses Jahres. Solange Amir zum Gebet ging,
    lag ich auf einem Felsen am Guadalquivir
    und bewunderte den Himmel. Was für ein Blau hatte er?
    Indigo? Nein. Himmelblau?
    Azur, entschied ich.
    Lasst euch nicht zu sehr beeindrucken.
    Das sind Tintenfarben!
    Schreiber können sie
    so mühelos aufzählen,
    wie Priester Sünden aufzählen können.
      
    Blautöne (2)
    Ich dachte, ich kenne Blau gut.
    Ich war ihr noch nicht begegnet.
    Sie wusch Wäsche am Ufer
    und lachte und sang mit drei albernen Freundinnen.
    Ich schlenderte hinüber.
    In bester Manier ahmte ich
    einen reichen höfischen Ritter nach
    und verbeugte mich ganz tief.
    (Zur Abwechslung bin ich mal froh
    über diese Benimmbücher!)
    Die Mädchen lachten. Aber mein Engel
    richtete nur die Augen auf mich.
    Die brauchen keine ausgeklügelten Namen.
    Sie sind einfach wunderbar
    blau.
    Sie zog eine weiße Blume heraus,
    die hinter ihrem Ohr steckte.
    Jetzt habe ich sie hier.
    Sie ist von zerbrechlicher Zartheit
    wie ägyptischer
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