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Der Schrei des Löwen

Der Schrei des Löwen

Titel: Der Schrei des Löwen
Autoren: Ortwin Ramadan
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Priester wandte sich mit einem verächtlichen Lachen von ihm ab.
    »Was soll das?« Big Eagles schneidende Stimme hallte durch den Raum. Der Gangsterboss hatte sein Telefongespräch beendet.
    Yoba griff Chioke unter die Arme und zog ihn eilig hoch. Aus dem Mundwinkel seines Bruders floss Speichel und sein Atem ging stoßweise.
    »Ist der krank, oder was?« Angewidert blickte Big Eagle über den Rand seiner Sonnenbrille hinweg zu ihnen herüber. Auch Tupac hatte mit dem Zählen aufgehört und starrte Chioke an.
    »Mein Bruder ist nicht krank!«, versicherte Yoba hastig. Chi-Chi hing wie ein nasser Sack in seinen Armen. »Er …«, Yoba holte tief Luft und deutete in Richtung des Priesters. »Er hat nur Angst vor Männern wie ihm da. Sonst nichts! Ich regele das schon!«
    Yoba schleifte seinen Bruder nach draußen auf die Terrasse und lehnte ihn gegen einen Pflanzenkübel. »Du wartest hier auf mich!«, sagte er entschieden. »Ich bin gleich zurück! Also rühr dich bloß nicht von der Stelle!«
    Yoba ließ seinen Bruder nur ungern allein, aber wenigstens atmete er wieder normal. Sein Brustkorb hob und senkte sich in einem gleichmäßigen Rhythmus. Auch das gruselige Augenflackern hatte aufgehört.
    »Tut mir leid«, entschuldigte sich Yoba, als er in das Haus zurückkehrte. »Aber mein Bruder hat Schlimmes erlebt. Das kommt nicht wieder vor.«
    Der Priester stieß ein spitzes Lachen aus. Yoba versuchte ihn zu ignorieren.
    »Kommen wir zur Sache!«, entschied Big Eagle ungeduldig. Er bedeutete Yoba näher zu treten. Als er bemerkte, dass der Junge wegen der Hyäne unter dem Tisch zögerte, lächelte er ihn freundlich an. »Keine Angst, sie hat heute schon gefrühstückt!«
    Yoba nahm allen Mut zusammen und trat näher. Das viele Geld auf dem Tisch zog seinen Blick magisch an. Für den Bruchteil einer Sekunde überlegte er, ob er sich nicht das Geld schnappen und einfach weglaufen sollte. Rennen konnte erschon immer gut. In seinem Dorf war niemand schneller als er gewesen.
    »Das ist der Bursche, von dem ich dir erzählt habe«, erklärte Tupac, ohne dass er gefragt wurde. Er legte das letzte gezählte Geldbündel auf den Stapel. »Sein Bruder ist ein Schwachkopf, aber er hier scheint ganz brauchbar zu sein. Bis jetzt hat er uns jedenfalls gute Dienste geleistet.«
    »Mein Bruder ist kein Schwachkopf!«, protestierte Yoba. Anschließend blickte er verlegen auf seine schmutzigen Füße. Die dösende Hyäne unter dem Tisch beäugte ihn durch ihre halb geschlossenen Lider. Er zwang sich die Anwesenheit der Bestie, so gut es ging, zu vergessen.
    »Wie heißt du?« Big Eagle musterte ihn von Kopf bis Fuß.
    »Yobachi.«
    »Und wie alt bist du?«
    »Fast siebzehn.«
    »Was hast du da? Ist das etwa ein Messer?« Big Eagle zeigte auf die kaum sichtbare Beule, die sich unter Yobas fleckigem T-Shirt abzeichnete.
    Yoba schüttelte den Kopf. Er zog das Notizbuch aus dem Hosenbund und reichte es dem Gangsterboss. Big Eagle betrachtete es von allen Seiten. Neugierig faltete er den Zettel auseinander, der zwischen den Seiten steckte.
    »Da … da wohnt mein Onkel«, stotterte Yoba. »Ich habe den Zettel nur, damit ich den Ort nicht vergesse.«
    Der Gangsterboss faltete den Zettel wieder zusammen, legte ihn zwischen die Seiten und gab Yoba das Büchlein zurück. »Du kannst lesen und schreiben?« Er schien überrascht.
    »Ja, Sir!«, versicherte Yoba eifrig. »Ich bin fast fünf Jahre zur Schule gegangen!«
    »Hast du das gehört?«, sagte Big Eagle zu seinem Leibwächter. »Sogar dieser Bauernjunge kann lesen. Es wird langsam Zeit, dass du es auch endlich mal lernst, meinst du nicht?«
    Big Eagle lachte lauthals über seinen eigenen Witz. Dabei stupste er immer wieder seine Sonnenbrille mit dem Zeigefinger die Nase hoch. Tupac sagte nichts, aber wie sich an seinem pockennarbigen Gesicht ablesen ließ, war dieses Thema sein wunder Punkt.
    »Also, Spaß beiseite!«, keuchte Big Eagle, nachdem er sich wieder beruhigt hatte. »Kommen wir zum Geschäft.«
    Yoba hätte zu gerne seine Augen gesehen, aber das Einzige, was er in den Gläsern der Sonnenbrille sah, war sein eigenes Spiegelbild.
    »Gefällt dir die Uhr?«, wollte der Gangsterboss wissen. Ihm war nicht entgangen, dass Yoba immer wieder auf die funkelnde Rolex an seinem Handgelenk schielte.
    Yoba schluckte und nickte. Für so eine Uhr würde er alles tun!
    »Und wie gedenkst du dir so eine Uhr zu verdienen?«, fuhr Big Eagle fort. »Mit Autowaschen etwa? Oder Betteln?«
    Yoba sah
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