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Der Schrei des Löwen

Der Schrei des Löwen

Titel: Der Schrei des Löwen
Autoren: Ortwin Ramadan
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Paradies und ab jetzt gehörten er und sein Bruder offenbar dazu. Vielleicht bekam er nun endlich die Chance, auf die er gewartet hatte!
    Wenn er in die Gang aufgenommen würde, wäre er mit einem Schlag alle Sorgen los. Er hätte immer genügend Geld, und was das Wichtigste war: Er konnte Chi-Chi besser beschützen. So wie er es seiner Mutter versprochen hatte. Wenn er erst das Zeichen der Bruderschaft am Oberarm trug, würde es keiner mehr wagen, seinen Bruder herumzuschubsen.
    Chioke schien von der unwirklichen Pracht des Gartens ebenso beeindruckt. Staunend trottete er hinter dem Gangster und Yoba her. Als sie an dem türkisblau leuchtenden Swimmingpool vorbeikamen, blieb er wie gebannt stehen. Er wollte gerade auf die Knie sinken, um das glitzernde Wasser zu berühren, aber Yoba hielt ihn zurück.
    »Lass das!«, zischte er. Gleichzeitig zog er seinen Bruder schnell wieder auf die Füße.
    Der Gangster führte sie auf die Terrasse und befahl ihnen dort zu warten. Dann verschwand er durch die Terrassentür ins Innere des Hauses. Yoba blickte sich um. Neben der Kiesauffahrt war ein Gärtner damit beschäftigt, ein Blumenbeet zu bewässern. In dem feinen Sprühnebel vor seinem Schlauch brach sich das Sonnenlicht und schuf einen zarten Regenbogen.
    »Bist du aufgeregt?«, fragte Yoba seinen Bruder.
    Chi-Chi reagierte nicht. Die intensive Farbe des glasklaren Swimmingpools hatte ihn in seinen Bann gezogen. Yoba selbst war furchtbar nervös. Er hatte einen ganz trockenen Mund.
    »Wenn wir es richtig anstellen, gibt uns Big E vielleicht einen festen Job«, versuchte er sich Mut zu machen. Er legte den Arm um seinen Bruder. »Vielleicht sogar hier im Garten. Na, wie fändest du das? Dann können wir bestimmt mal in dem Pool schwimmen. So wie früher im Fluss, als Mama noch da war.«
    Chioke drehte den Kopf und sah seinen großen Bruder stumm an. Bevor Yoba etwas sagen konnte, kam ein übergewichtiger Streifenpolizist aus dem Haus. Es war der gleiche, der sie zufällig vor der Bande aus der Azikiwe Road gerettet hatte. Ohne sie eines Blickes zu würdigen, rauschte er an ihnen vorbei. Kurz darauf wurde die Terrassentür erneut aufgeschoben und der Gangster, der sie hergeführt hatte, streckte den Kopf heraus.
    »Kommt mit!«, herrschte er die Jungen an.
    Yoba und Chioke gehorchten und folgten ihm zögernd ins Haus. Kaum hatte sich die Glastür hinter ihnen geschlossen, traf sie die Kälte der Klimaanlage wie ein Schlag. Yoba fröstelte. Der elegant eingerichtete Raum, in dem sie sich nun befanden, war riesig. Sein Boden bestand aus Marmor und am Ende führte eine goldene Treppe in das nächste Stockwerk. In der Mitte des Raumes, direkt unter dem pompösen Kristallkronleuchter, stand ein Schreibtisch aus glänzendem Mahagoniholz. Auf ihm lagen Geldbündel, daneben summte ein aufgeklappter Laptop.
    Big Eagle saß in einem gewaltigen Korbsessel hinter dem Schreibtisch. Er telefonierte mit einem der Handys, die er wie kleine Soldaten fein säuberlich in einer Reihe vor sich aufgestellt hatte. Immer wieder schnippte er einen unsichtbaren Fussel von seinem cremefarbenen Anzug. Tupac, seine rechteHand, stand neben dem Tisch und zählte das Geld. Sobald er mit einem Bündel fertig war, legte er es auf einen Stapel und nahm das nächste. Yoba verschlug es die Sprache. Mit so vielen Dollars konnte man die ganze Stadt kaufen!
    Erst jetzt bemerkte Yoba die Hyäne unter dem Tisch. Sie musterte Chioke und ihn, als wären die beiden ihre nächste Mahlzeit. Yoba hatte keine Angst vor Tieren, aber er nahm sich vor, der Bestie besser nicht zu nahe zu kommen. Maulkorb hin oder her. Zu seiner Überraschung schien die Anwesenheit der Hyäne seinen sonst so ängstlichen Bruder überhaupt nicht zu stören. Yoba hatte eher den Eindruck, als wolle er jeden Moment auf die Bestie zugehen und sie streicheln. Doch dann stand mit einem Mal ein Voodoo-Priester neben ihnen.
    Yoba konnte sich nicht erklären, wo der unheimliche Mann hergekommen war. Chioke geriet sofort in Panik. Er zitterte und seine Augenlider begannen zu flattern. Der Voodoo-Priester sah Chioke wortlos an. Dann griff er nach seiner Halskette und fuchtelte Chioke mit einem Amulett aus Federn und Schlangenknochen vor dem Gesicht herum. Gleichzeitig murmelte er etwas Unverständliches. Chioke erstarrte. Er rollte die Augen, so dass nur noch das Weiße seiner Augäpfel zu sehen war. Anschließend sank er auf die Marmorfliesen nieder, wo er sich mit zuckenden Gliedern herumwälzte. Der
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