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Der Schoepfer

Der Schoepfer

Titel: Der Schoepfer
Autoren: Gudrún Eva Mínervudóttir
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der Puppe den Schlafanzug aus- und das neue Seidenkleid anzuziehen, sie abzuwischen, ihr Haar zu kämmen und sie in ein sauberes Laken zu wickeln – sie sorgfältig in das weiße Leinen einzupacken, so dass nichts mehr von ihr zu sehen war, noch nicht einmal ein Zeh oder eine Haarsträhne. Gemeinsam schleppten sie die Puppe zurück ins Auto, Lóa schnallte sie an, setzte sich dann in ihren knallgrünen Renault und winkte zum Abschied, als die Reifen über den mit Kies belegten Parkplatz rollten.
    »Dein Mantel!«, schrie Sveinn gegen den Wind an, als Lóa noch in Rufweite war, humpelte ins Haus und holte den Mantel. Er roch immer noch nach Parfüm.
    »Danke.«
    Es hatte etwas Widersprüchliches und Falsches, sich von Lóa zu verabschieden, ohne etwas über das Schicksal ihrer Tochter zu wissen. Sveinn war instinktiv davon ausgegangen, dabei zu sein, wenn Nachrichten von Margrét kämen. Jetzt würde er vielleicht nie erfahren, was mit ihr passiert war.
    Es war kurz vor drei. Kjartan war bestimmt zu Hause, und Sveinn beschloss, mit der Schwarzhaarigen zu ihm zu fahren.

    Er holte seinen Mantel und die Autoschlüssel und setzte sich neben sie.
    »Was für ein Theater wegen dir, Schätzchen«, sagte er zu der weißen Leinenlarve, in der sein Meisterwerk steckte.
    Sie nickte einmal, als der Wagen abrupt zurücksetzte, verhielt sich aber ansonsten ruhig, wie man es von ihr erwartete.
     
    Kjartan stand auf dem Hof und reckte sich, als sie vorfuhren.
    »Was, was, was, bist du schon hier? Ich habe noch nicht mal gebadet oder mich umgezogen.«
    »Jetzt trag sie schon rein, ich bin kein Packesel«, sagte Sveinn.
    »Nehee«, meckerte Kjartan. »Langsam, langsam. Erst ins Bad und saubere Klamotten.«
    »Sie ist gut eingepackt, wie du siehst.«
    »Entschuldige bitte, aber ich kann sie nur anfassen, wenn ich geschniegelt und gestriegelt bin, ob sie nun eingepackt ist oder nicht«, erwiderte Kjartan. »Sieh’s einfach als Kompliment an, Meister.«
    »Dann warte ich hier, während du dich für dein Date zurechtmachst. «
    »Bei dem verdammten Wind? Willst du dich nicht lieber ins Wohnzimmer setzen?«
    »Ist doch viel weniger Wind als gestern. Man stirbt ja nicht gleich, wenn man ’ne kleine Brise abbekommt«, sagte Sveinn und wandte sein Gesicht mit geschlossenen Augen der Sonne zu. Obwohl er immer noch Schmerzen in der Schulter hatte, fühlte er sich wie beim Aufwachen nach einem anstrengenden Traum.
    Da hörte er das sonore Motorengeräusch eines Autos, das vorbeifuhr, stehen blieb und dann bis ans Gartentor zurücksetzte. Sveinn öffnete die Augen und sah genau das, was er erwartet hatte: Lárus in seiner silbergrauen Angeberkarre.

    »Lárus!« Lachen brodelte in ihm hoch, denn auf einmal fand er den emsigen Blick des Jungen gar nicht mehr unerträglich, sondern in seiner Vertrautheit drollig und liebenswert. »Grüß dich, mein Lieber. Ist alles in bester Ordnung, ich warte nur auf Kjartan.«
    Der Blick des Jungen fiel auf das weiße Paket auf dem Vordersitz des Pick-ups. »Na dann«, sagte er. »Ich will euch nicht stören.«
    »Das tust du nicht, wir haben nichts Besonderes vor«, entgegnete Sveinn. »Willst du nicht bleiben und uns helfen, die Unruhestifterin ins Haus zu tragen? So wie ich Kjartan kenne, hat er bestimmt ein paar Bierchen im Kühlschrank.«
    Lárus strahlte, als hätte man ihm die halbe Welt geschenkt. Als hätte man ihm die Schwarzhaarige geschenkt und sie wäre plötzlich in seinen Händen zum Leben erwacht.
    »Hast du den eigentlich schon lange?«, fragte Sveinn und zeigte auf den Silbergrauen.
    »Hab ihn letztes Jahr gekauft, auf Raten. Er frisst meinen halben Lohn, aber das ist es mir wert«, antwortete Lárus mit tiefer Stimme vor lauter Zuneigung zu dem Auto.
    »Ach ja? Und was willst du mit deinem Leben anfangen, wenn du keine Lust mehr hast, in der Kabine am Tunnel rumzuhocken? «
    »Ich will im Herbst auf die Handwerksschule gehen«, antwortete Lárus. »Vielleicht Elektriker oder Maurer werden.«
    »Klingt gut, aber egal was du tust, geh bloß nicht auf die Kunstschule.«
    »Auf die Idee würde ich nie kommen«, sagte Lárus, und sie lachten viel länger als nötig. Besonders Lárus hatte Schwierigkeiten, sich zu bremsen. Er schien vor lauter Glück kurz vorm Nervenzusammenbruch zu sein.

    »Über welche Jugendliche habt ihr eigentlich geredet, du und die Frau, die dich bestohlen hat?«, fragte er, als er sich wieder beruhigt hatte.
    »Über ihre Tochter. Sie heißt Margrét. Margrét
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